Viruskrankheiten der Kartoffel
maladies à virus de la pomme de terre (franz.); potato virus (engl.)
- Y-Virus, Kartoffelvirus Y, Strichelkrankheit, Tabakrippenbräune, Mosaikvirus; virus Y; potato virus Y (PVY)
- Blattroll-Virus; enroulement de la pomme de terre; potato leafroll virus (PLRV)
- A-, M- S- und X- Virus
- ABC Virus
wissenschaftlicher Name: PVY, PLRV, PVA-, PVM-, PVS- und PVX- Virus, ABC Virus
Taxonomie: PVY: Potyviridae, Potyvirus; PLRV: Luteoviridae, Polerovirus
Das Y-Virus und das Blattrollvirus sind die wirtschaftlich wichtigsten Viruskrankheiten der Kartoffel. A-, M- S- und X- Virus treten weniger häufig auf. Viruskrankheiten verursachen grosse Ertragsausfälle und Qualitätsverluste. Blattläuse sind die wichtigsten Überträger von Kartoffelviren. Einige Viren können auch mechanisch übertragen werden. Nach der Infektion gesunder Pflanzen (Primärinfektion) wandern die Viren in die Knollen. Aus infizierten Knollen entwickeln sich Pflanzen (Sekundärinfektion) mit typischen Schadsymptomen: leichtes bis schweres Mosaik, tütenförmiges Einrollen der Blätter, Zwergwuchs und andere. Je nach Virusart, Virusstamm, Kartoffelsorte und Umwelteinflüssen treten unterschiedliche Krankheitssymptome auf.
Kartoffelvirus Y
In der Schweiz und in Deutschland ist das Kartoffelvirus Y (PVY) das mit Abstand wichtigste Virus im Rahmen der Pflanzkartoffelanerkennung. Ein Befall wirkt sich negativ auf den Ertrag und die Qualität der Knollen aus. Die Krankheitssymptome variieren von leichtem bis schwerem Blattmosaik. Das Kartoffelmosaikvirus Y wird auf nicht-persistente Art durch Blattläuse übertragen. Durch die Verwendung von gesundem und anerkanntem Pflanzgut können virusbedingte Verluste vermieden werden
Abb. 1. Gesunde Kartoffeln (links) und mit Y-Virus befallene Kartoffeln (rechts): Krankheitsymptome sind leichtes bis schweres Blattmosaik.
Schadbild
Je nach Virusstamm, Kartoffelsorte und Witterung sind die Schadsymptome an Kartoffelpflanzen sehr unterschiedlich: Die Kartoffelpflanzen zeigen ein leichtes bis schweres Mosaik oder gar keine Symptome (Abb. 1 und 2). Unter Mosaik versteht man eine abwechselnd hell- und dunkelgrüne Scheckung der Blätter.
Die auffälligsten Symptome einer Primärinfektion mit PVY0 sind punktförmige bis strichartige braunschwarze Nekrosen (Tintenspritzer) auf der Blattunterseite (Abb. 2). Sekundärinfektionen mit PVY0 äussern sich in Zwergwuchs, starkem Mosaik, später rauen gewellten Blättern und Nekrosen an Blättern und Stängeln.
Infektionen mit PVYN verursachen leichte bis schwere mosaikartige Symptome.
PVYNTN verursacht neben einem Blattmosaik und Blattkräuselung auch Ringnekrosen an den Knollen (Abb. 3). Im Gegensatz zum Tabak-Rattlevirus (Pfropfenbildung) sind jedoch nur die oberflächennahen Schichten betroffen.
Abb. 3. Ringnekrosen an Kartoffelknollen verursacht durch das Virus PVYNTN
Krankheitserreger
PVY ist ein Pflanzenvirus aus der Familie der Potyviridae. Die Viren sind gewunden, stäbchenförmig, 700-900 nm lang und 11 nm breit (Stevenson et al. 2001). Das PVY besteht aus einem einzelsträngigen RNA-Genom (Länge 9.5 kb). Es existieren verschiedene Virusstämme: PVY0 (ursprünglicher Virusstamm), PVYN (tobacco veinal Necrosis strain oder Tabakrippenbräune), PVYNTN (NTN = new tuber necrosis) oder PVYN WILGA.
Mit Hilfe eines Elektronenmikroskops können in den infizierten Pflanzenzellen windradförmige Einschlüsse (sogenannte pinwheels) nachgewiesen werden. Diese sind typisch für Potyviren.
Lebenszyklus
Das Kartoffelvirus Y wird hauptsächlich durch Blattläuse übertragen. Die grüne Pfirsichblattlaus (Myzus persicae) und die Kreuzdornlaus (Aphis nasturtii) sind die wichtigsten Arten (Radtke und Rieckmann 1990). Daneben kommen über 25 weitere Blattlausarten als Überträger (Vektoren) in Frage (Stevenson et al. 2001).
Das Kartoffelvirus Y ist ein nicht-persistentes Virus. Das bedeutet, dass die Viren passiv beim Saugen und Fressen aufgenommen und übertragen werden. Diese bleiben an den Stechborsten des Nahrungskanals hängen und werden sehr schnell auf andere Pflanzen übertragen. Geflügelte Blattläuse können die Viren auch über grössere Distanzen verbreiten. Die Blattläuse bleiben nur kurze Zeit ansteckend. Spätestens bei der Häutung der Tiere geht das Virus verloren.
Eine mechanische Übertragung von PVY von kranken auf gesunde Pflanzen ist ebenfalls möglich. Für die Übertragung reicht der Kontakt von Pflanzenteilen aus.
Nach der Übertragung vermehren sich die Viren in den Pflanzenzellen und wandern in die Knollen. Aus infizierten Knollen entwickeln sich Pflanzen mit den typischen Schadsymptomen (Sekundärinfektionen)..
Wirtspflanzen
Neben Vertretern der Nachtschattengewächse (Kartoffeln, Tomaten, Tabak) werden auch Pflanzenarten aus den Familien Chenopodiaceae (Gänsefussgewächse) z. B. Zuckerrüben, und Fabaceae (Leguminosae) z. B. Bohnen befallen.
Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung
Anbau von Pflanzkartoffeln:
- Gesundlagen bevorzugen: windoffene Lagen, räumlich getrennt von Feldern mit Speisekartoffeln
- Ausgangspflanzgut muss virusfrei sein
- vorgekeimtes Saatgut pflanzen
- früher Pflanztermin
- Durchwuchskartoffeln entfernen und vernichten
- mehrmaliges Entfernen von sekundär infizierten Stauden (Kühne et al. 2006)
- eine frühzeitige Krautvernichtung verhindert eine Virusübertragung vom Kraut in die Knollen (Kühne et al. 2006)
- Bekämpfung der Blattläuse mit Insektiziden
- frühe Ernte
Speisekartoffeln:
- Verwendung von virusfreiem (zertifiziertem) Pflanzgut: sekundär infizierte Kartoffeln mindern den Ertrag
- Anbau wenig anfälliger Sorten (Schweiz: Liste der Schweizer Sortenliste für Kartoffeln; Deutschland: Sortenliste des Bundessortenamtes; Österreich: Österreichische beschreibende Sortenliste)
Blattrollvirus
Das Blattrollvirus (PLRV) ist der Erreger der Blattrollkrankheit. Das Virus kommt weltweit vor und verursacht Ertrags- und Qualitätsverluste. Das PLRV wird dauerhaft von Blattläusen übertragen (persistent-zirkulativ übertragbare Viren): Hat eine Blattlaus einmal das Virus aufgenommen, bleibt sie lebenslang Überträgerin. Durch die Verwendung von gesundem, anerkanntem Pflanzgut können virusbedingte Verluste (Sekundärbefall) vermieden werden.
Abb. 4. Krankheitssymptome des Blattrollvirus
Schadbild
Kartoffelpflanzen, die aus mit Blattrollviren infizierten Pflanzkartoffeln stammen (Sekundärinfektion), zeigen in der Regel einen aufrechten Wuchs. Die Triebe sind meist schwach und die ganze Pflanze ist im Wachstum gehemmt. Zuerst rollen sich die unteren Blätter nach oben ein, später auch die oberen Blätter (Abb. 4 und 5). Die Blätter sind hellgrün bis gelb, gleichzeitig steif, ledrig und nach oben gerichtet.
Die Symptome der Primärinfektion (d.h. gesunde Pflanzen wurden während der Vegetationszeit infiziert) treten zuerst an den jungen Blättern auf. Diese stehen aufrecht und sind vor allem an der Basis tütenförmig eingerollt. Infizierte Pflanzen von rotschaligen Sorten haben eine rötliche Färbung, weissschalige sind eher gelblich. Je früher die Infektion erfolgt, desto mehr Blätter sind betroffen.
Krankheitserreger
PLRV ist ein Pflanzenvirus aus der Familie der Luteoviridae. PLRV ist ein isometrisches Viruspartikel mit einem Durchmesser von 24 nm (Stevenson et al. 2001). Es besteht aus einem einzelsträngigen RNA-Genom (Länge 5,9 kb). Die Viren befinden sich im Phloem der Wirtspflanzen und werden durch Blattläuse übertragen.
Lebenszyklus
Das PLRV kann durch verschiedene Blattlausarten dauerhaft (persistent) übertragen werden. Die Grüne Pfirsichblattlaus (Myzus persicae) ist der effizienteste und wichtigste Vektor. Während der Nahrungsaufnahme gelangen die Viren mit dem Phloemsaft (Siebröhren) kranker Pflanzen in den Darm der Blattläuse. Je länger die Laus saugt, desto mehr Viren nimmmt sie auf. In den Blattläusen können sich die Viren nicht vermehren (= nicht propagativ, Taliansky et al. 2003). Etwa 24 Stunden nach der Virusaufnahme (Latenzzeit) überträgt die Blattlaus bei erneuter Nahrungsaufnahme die Viren auf eine gesunde Pflanze (Häni et al. 2008). In der Pflanze vermehren sich die Viren hauptsächlich im Phloem oder im Mesophyll der Pflanze.
Einmal aufgenommen, bleiben die Läuse lebenslang Virusüberträgerinnen. Die ab Juli auftretenden geflügelten Blattläuse verbreiten das PLRV über grössere Distanzen. Innerhalb eines Feldes können auch ungeflügelte Blattläuse das Virus von Pflanze zu Pflanze übertragen.
Infizierte Pflanzkartoffeln und Durchwuchskartoffeln sind die primären Quellen des Blattrollvirus. Über die Knollen wird das Virus sehr effizient von einer Generation zur nächsten übertragen.
Epidemiologie
Eine Virusübertragung findet nur statt, wenn neben Blattläusen auch viruskranke Pflanzen vorhanden sind. Nach einem sehr milden Winter ist die Gefahr der Virusübertragung grösser, weil dann noch Blattläuse vorhanden sind, die sich bereits in der letzten Vegetationsperiode infiziert haben. Blattläuse, die aus einem überwinterten Ei geschlüpft sind, enthalten keine Viren.
Wirtspflanzen
Nachtschattengewächse: Kartoffeln, Tomaten und einige Pflanzenarten, die auch als Unkräuter bekannt sind (Stechapfel, Schwarzer Nachtschatten)
Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung
Siehe Kartoffelvirus Y
Kartoffel A-, M-, S- und X- Virus
A-, M- und S-Viren werden durch Blattläuse oder mechanisch durch Kontakt von gesunden mit kranken Pflanzen übertragen. Das X-Virus wird nur durch Kontakt übertragen, wobei auch mit Viren kontaminierte Arbeitsgeräte zu einer Infektion führen können.
Symptome (nach Hoffmann und Schmutterer 1999)
A-Virus: schwaches Mosaik, meist nur latenter Befall (Primärinfektion); raues Blatt mit glänzender, blasig aufgewölbter Oberfläche und gewölbten Blatträndern (Sekundärinfektion)
M-Virus: bei einer Primärinfektion sind keine Symptome bekannt; Sekundärinfektion: starkes Rollmosaik (im Gegensatz zum PLRV rollen sich die Blätter im oberen Bereich ein), Mosaikfärbung, Blätter bleiben weich und elastisch (Krankheitsbild kann mit einem Befall durch Rhizoctonia solani verwechselt werden)
S-Virus: meist nur schwache Symptome, leichte Aufhellung der Blattfarbe, raue Blätter mit leichten Vertiefungen der Blattadern an der Blattoberseite
X-Virus: keine Symptome bei einer Primärinfektion; sekundär infizierte Kartoffelpflanzen zeigen keine oder leichte bis schwere mosaikartige Verfärbungen
Bei Mischinfektionen mit verschiedenen Viren werden die Symptome oft verstärkt.
Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung
Siehe Kartoffelvirus Y
ABC Virus
Die ABC Krankheit wird durch das bodenbürtige Tabaknekrosevirus (tobacco necrosis virus = TNV) verursacht (Radtke und Rieckmann 1990) und durch den Bodenpilz Olpidium brassicae übertragen. Eine Verbreitung ist auch über das Bodenwasser (z.B. Beregnungsflächen) möglich. Wirtspflanzen sind u.a. Kartoffel, Tabak und Gurken.
Abb. 6. Symptome des ABC Virus an einer Kartoffelknolle
Symptome: Auf der Knollenoberfläche bilden sich zunächst schwarzbraune, blasige Aufwölbungen, die sich später zu runden oder hufeisenförmig eingesunkenen Flecken entwickeln. Das Gewebe unter den Flecken ist schwarzbraun, trocken und scharf von der gesunden Knolle abgegrenzt. Bereits bei der Ernte sind manchmal Flecken mit sternförmigen Rissen erkennbar (Abb. 6).
Literatur
Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A und Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.
Hoffmann GM, Schmutterer H, 1999. Parasitäre Krankheiten und Schädlinge an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart (2. Auflage): 675 S.
Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, Stuttgart: 288 S.
Radtke W, Rieckmann W, 1990. Krankheiten und Schädlinge der Kartoffel. Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen-Buer, 167 S.
Stevenson WR, Loria R, Franc GD, Weingartner DP, 2001. Compendium of Potato Diseases, second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul: 106 S.
Taliansky M, Mayo MA, Barker H, 2003. Potato leafroll virus: a classic pathogen shows some new tricks. Molecular Plant Pathology 4(2): 81-89.