Rhizoctonia-, Wurzeltöterkrankheit oder Weisshosigkeit
Rhizoctone (franz.); Rhizoctonia canker and black scurf (engl.)
wissenschaftlicher Name: Rhizoctonia solani J.G. Kühn (anamorph), Thanatephorus cucumeris (A.B. Frank) Donk (teleomorph)
Taxonomie: Fungi, Basidiomycota, Agaricomycotina, Agaricomycetes, Cantharellales, Ceratobasidiaceae
Der Pilz Rhizoctonia solani befällt die Kartoffelpflanze über den Boden oder über das Pflanzgut. Er verursacht Ertragsverluste (Auflaufschäden, Nekrosen an Stängeln und Stolonen, viele kleine oder missförmige Knollen) sowie Qualitätsverluste (Kartoffelpocken, «Dry-core» Symptome). Eine drei- bis vierjährige Anbaupause zwischen zwei Kartoffelkulturen und die Verwendung von gesundem Pflanzgut sind die wichtigsten vorbeugenden Massnahmen zur Verhinderung eines Rhizoctonia Befalls.
Abb. 1. Kartoffelpocken (Sklerotien) der Wurzeltöterkrankheit (Rhizoctonia solani) an Kartoffelknollen
Krankheitsbild
Die Rhizoctonia-Krankheit, auch Wurzeltöterkrankheit oder Weisshosigkeit genannt, verursacht verschiedene Symptome (Häni et al. 2008):
Kartoffelpocken: Die auffälligsten Anzeichen eines Befalls sind dunkel-braune bis schwarze, unregelmässig geformte Sklerotien an der Knollenoberfläche (Abb. 1 und 4). Diese sogenannten Kartoffelpocken dringen nicht in die Knolle ein und können leicht von der Schale abgekratzt, aber nicht abgewaschen werden.
Auflaufschäden: Befallenes Pflanzgut oder eine Verseuchung des Bodens mit Rhizoctonia kann zu einem unregelmässigen, verspäteten Auflaufen oder zu Fehlstellen führen. Die unterirdischen Keime und Stolonen zeigen an verschiedenen Stellen braune bis schwarze Flecken, die oft leicht eingesunken sind und die betroffenen Organe einschnüren. Die Triebspitzen sterben häufig ab. Neu gebildete Keime werden ebenfalls befallen. Als Folge davon entsteht eine Fehlstelle im Pflanzenbestand oder es erreichen nur wenige schwache Triebe die Bodenoberfläche.
Kleine, missförmige Knollen: Ein starker Befall der Stolonen führt zu vielen kleinen Knollen und zu Knollen mit Missbildungen und Wachstumsrissen.
«Dry-Core» Symptome: Pilzhyphen von Rhizoctonia wachsen über die Lentizellen in die Knollen und verursachen das «dry core» Symptom (Abb. 2): An der Kartoffelschale zeigen sich rundliche, leicht eingesunkene, scharf abgegrenzte, bräunliche Flecken von 3 bis 6 mm Durchmesser (Abb. 2). Das darunterliegende Gewebe ist bis zu einer Tiefe von 10 mm zerstört und scharf gegen das gesunde Gewebe abgegrenzt. Der zerstörte Gewebepfropfen kann herausfallen, so dass das Krankheitsbild leicht mit einer Schorfbeschädigung oder einem Drahtwurmbefall verwechselt werden kann. Im Gegensatz zu letzteren bleibt jedoch die Knollenschale als Häutchen am Rand des Lochs bestehen (Radtke und Rieckmann 1990).
Wipfelrollen und Luftknollen: Während der Vegetation zeigen befallene Pflanzen häufig ein sogenanntes «Wipfelrollen»: Fiederblätter an der Triebspitze falten sich der Länge nach zusammen, werden heller und verfärben sich je nach Sorte rotviolett (Radtke und Rieckmann 1990). Ein starker Befall kann zur Bildung von Luftknollen führen (Achtung: Eine Luftknollenbildung kann auch andere Ursachen haben).
Weisshosigkeit: Bei feuchtem Wetter und dichtem Pflanzenbestand kann die Stängelbasis mit einem grauweissen Belag (Pilzmyzel) überzogen sein. Dieses Erscheinungsbild wird „Weisshosigkeit“ genannt. Am Myzel werden Basidien mit Basidiosporen gebildet. Es handelt sich hier um das sexuelle Stadium des Krankheitserregers (= Hauptfruchtform Thanatephorus cucumeris).
Abb. 2. «Dry-core» Symptome der Wurzeltöterkrankheit (Rhizoctonia solani) an einer Kartoffelknolle (unten:aufgeschnittene Knolle)
Krankheitserreger
Rhizoctonia solani bildet ein stark verzweigtes Myzel und Sklerotien (Dauerkörper) aber keine Konidien. Die Verzweigungen der Haupthyphen stehen meistens mehr oder weniger rechtwinklig zueinander (Abb. 3). Nach der Verzweigung ist die neue Hyphe zuerst verengt und hat anschliessend eine Querwand (Septum). Die Hyphen haben keine Schnallen. Der Durchmesser der Haupthyphe von R. solani misst 8-10 µm (Stevenson et al. 2001). Junge vegetative Hyphen von R. solani sind zunächst weiss, dann bräunlich. Sie sind vielkernig.
Die Sklerotien der R. solani messen je nach Isolat 0.1 bis 10 mm im Durchmesser. Sie haben eine unregelmässige Form, sind dunkel-braun bis schwarz gefärbt und bestehen aus einem dichten Geflecht aus Pilzhyphen (Abb. 4).
Die sexuelle Form (Teleomorphe) Thanatephorus cucumeris wird auf Hyphen aus dickwandigen Zellen gebildet und besteht aus Basidien, welche Basidiosporen abschnüren. Die sexuelle Form wird selten gebildet und deren Bedeutung für den Lebenszyklus ist weitgehend unbekannt.
R. solani wird in 13 verschiedene Anastomosegruppen (AG) eingeteilt (Tsror 2010). Innerhalb einer AG können die Hyphen fusionieren. Je nach Zugehörigkeit zu einer AG kann R. solani unterschiedliche Kulturen befallen. Die AG-3 tritt bei Kartoffeln mit Abstand am häufigsten auf. Sie ist relativ wirtsspezifisch. Sklerotien an den Kartoffelknollen gehören fast ausschliesslich zu dieser Anastomosegruppe. Die AG-2-1, AG-4, AG-5, AG-8 und AG-9 können Kartoffeln ebenfalls befallen, verursachen aber nur einen geringen Schaden.
Abb. 3. Rhizoctonia Arten bilden ein stark verzweigtes Myzel. Die Verzweigungen der Haupthyphen stehen rechtwinklig zueinander.
Abb. 4. Kartoffelpocken (Rhizoctonia solani) vergrössert
Lebenszyklus und Epidemiologie
Die Rhizoctonia-Krankheit wird hauptsächlich durch Sklerotien, die an den Pflanzkartoffeln anhaften, ausgelöst. Allerdings kann der Krankheitserreger auch mehrere Jahre an abgestorbenen Pflanzenresten im Boden (als Saprophyt) überdauern, so dass eine Primärinfektion der Kartoffelpflanzen auch über einen Bodenbefall verursacht werden kann. Auf Betrieben mit einer vielseitigen Fruchtfolge und Anbaupausen von mindestens vier Jahren ist eine Bodeninfektion aber von untergeordneter Bedeutung. Die Hauptinfektionsquelle bildet befallenes Pflanzgut (Keiser und Flückiger 2013).
Aus den Sklerotien wachsen Pilzhyphen, welche in die jungen Keime eindringen und die oben beschriebenen Krankheitssymptome verursachen. Grüne, nicht verletzte Keime können nicht infiziert werden.
Hohe Temperaturen während der frühen Wachstumsphase mindern einen allfälligen Schaden, der durch Rhizoctonia verursacht werden kann. Tiefe Temperaturen zu Beginn der Kartoffelsaison fördern ihn.
Während des Wachstums scheiden die neu gebildeten Knollen flüchtige Stoffe aus, welche die Bildung von Sklerotien verhindern. Mit zunehmender Reife der Stauden, besonders nach der Krautvernichtung, nimmt diese Hemmung ab. Je länger die Kartoffelknollen nach der Abreife im Boden bleiben, desto zahlreicher und grösser sind die Sklerotien an der Knollenoberfläche.
Der Krankheitserreger überdauert als Sklerotien an den Knollen (Kartoffelpocken) und kann über weite Distanzen mit dem Pflanzgut übertragen werden.
Wirtsspektrum
Die Anastomosegruppe 3 (AG-3) ist mit Abstand die häufigste Untergruppe von R. solani an Kartoffeln. AG-3 ist wirtsspezifisch und befällt fast ausschliesslich nur Kartoffeln (Stevenson et al. 2001). Von den 13 beschriebenen Anastomosegruppen der R. solani können AG-2-1, AG-4, AG-5, AG-8 und AG-9 die Kartoffel ebenfalls befallen, verursachen aber nur einen geringen Schaden.
Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung
- Eine Anbaupause von drei bis vier Jahren einhalten! Bodeninfektionen können dadurch weitgehend verhindert werden.
- Die Verwendung von gesundem zertifiziertem Pflanzgut: Es sollten weniger als 20 % der Knollen mit Kartoffelpocken (Sklerotien) befallen sein (100 Knollen prüfen). (Agridea, Datenblätter Ackerbau)
- Alle Massnahmen, welche ein schnelles Auflaufen der Kartoffeln fördern: Pflanzgut vorkeimen, Pflanzung in erwärmten, gut vorbereiteten Boden (bei vorgekeimten Knollen ab Bodentemperaturen von 5 bis 6 °C), Knollen nicht zu tief legen und spät anhäufeln.
- Sorten mit geringer Anfälligkeit anbauen (Schweizer Sortenliste für Kartoffeln).
- Nach dem Erreichen der Schalenfestigkeit, circa drei Wochen nach dem Absterben des Krautes, sollten die Kartoffeln geerntet werden und das Erntegut muss rasch getrocknet werden.
- Organische Düngung: Auf eine gute Vermischung der Gründüngung und der organischen Düngung mit dem Boden achten, damit das organische Material von den Bodenmikroorganismen schnell umgesetzt wird. Nur relativ stroharme organische Dünger verwenden.
- Der Einsatz von Antagonisten und Hyperparsiten (Bacillus subtilis, Verticillium biguttatum, Trichoderma harzianum etc.) als biologische Pflanzenschutzmittel wurde weltweit geprüft (Kühne et al. 2006). Die Resultate variieren sehr stark.
- Im biologischen Landbau in der Schweiz zugelassen ist Proradix, ein biologisches Beizmittel (mit Teilwirkung) gegen Netz- und Silberschorf sowie Rhizoctonia. Proradix enthält das Bodenbakterium Pseudomonas spp. und wird vor der Pflanzung auf die Knollen gespritzt. Siehe auch Betriebsmittelliste für den biologischen Landbau in der Schweiz.).
- Beizung des Pflanzgutes mit einem bewilligten Pflanzenschutzmittel (Tauchbeizmitel oder Anwendung im Sprühverfahren): zum Beispiel können beim Legen der Kartoffeln die herunterfallenden Knollen mit einem Beizmittel besprüht werden (Flüssigbeizung mit Monceren). Die Wirkung dieses Verfahrens ist häufig unzureichend, vor allem wenn ein hohes Infektionspotential im Boden vorhanden ist. Die seit 2012 in Deutschland bewilligte Furchenbehandlung mit Ortiva (Wirkstoff Azoxystrobin) kann die Wirkung verbessern. Bei diesem Verfahren darf die Knolle nicht in Kontakt mit der Spritzbrühe kommen (schlechte Pflanzenverträglichkeit).
- Empfohlene und zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen Rhizoctonia solani (Wurzeltöterkrankheit) finden sie für die Schweiz im BLW Pflanzenschutzmittelverzeichnis (Bundesamt für Landwirtschaft); für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Pflanzenschutzmittelregister des BAES (Bundesamt für Ernährungssicherheit).
Literatur
Agridea, 2021. Datenblätter Ackerbau. AGRIDEA, CH-8315 Lindau (Datenblätter Ackerbau)
Häni FJ, Popow G, Reinhard H, Schwarz A und Voegeli U, 2008. Pflanzenschutz im nachhaltigen Ackerbau. Edition LMZ, 7. Auflage. 466 S.
Keiser A, Flückiger R, 2013. Rhizoctonia solani, ausreichende Anbaupausen und befallsfreies Pflanzgut sind entscheidend! Kartoffelbau 6: 26-30.
Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, Stuttgart: 288 S.
Radtke W, Rieckmann W, 1990. Krankheiten und Schädlinge der Kartoffel. Verlag Th. Mann, Gelsenkirchen-Buer, 167 S.
Stevenson WR, Loria R, Franc GD, WeingartnerDP, 2001. Compendium of Potato Diseases, second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul: 106 S.
Tsror L, 2010. Biology, Epidemiology and Management of Rhizoctonia solani on Potato. Journal of Phytopathology 158: 649-658.