Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Kirschessigfliege (Drosophila suzukii)

Kirschessigfliege

Drosophile du cerisier (franz.); spotted wing drosophila (engl.)

wissenschaftlicher Name: Drosophila suzukii Matsumura

Taxonomie: Animalia, Arthropoda, Insecta, Diptera, Drosophilidae

Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) stammt ursprünglich aus dem Fernen Osten. Sie breitete sich nach Nord- und Südamerika aus und wurde in Europa (Spanien) Ende 2008 erstmals beobachtet. Im Jahre 2011 erreichte D. suzukii die Schweiz (Kehrli et al. 2012). Die Liste der Wirtspflanzen von D. suzukii ist lang, wobei Beeren die bevorzugten Wirtspflanzen sind. Die Weibchen der Kirschessigfliege besitzen einen gut entwickelten, gezähnten Ei-Legeapparat (Ovipositor), mit dem sie intakte, reifende Früchte anstechen können, um ihre Eier abzulegen. Dies im Gegensatz zur gewöhnlichen Drosophila (D. melanogaster), die nur beschädigte, überreife oder abgefallene Früchte befällt. Die Entwicklung der Larven im Innern der Frucht führt zu einer schnellen Zersetzung des Fruchtfleisches und zum Verfaulen der Frucht.

Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) an KirschenAbb. 1. Mit Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) befallene Kirschen

Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) an KirschenAbb. 2. Kirschessigfliege (Drosophila suzukii): Larve (Made)

Abb. 3. Schadbild eines Befalls durch die Kirschessigfliege an Kirschen; der Schaden wird durch die Maden der Fliege verursacht.

Schadbild

Die Schäden werden durch den Frass der Larven (Maden) in den Kirschen verursacht (Abb. 1, 2 und 3). Die befallenen Früchte werden weich und sie verfaulen. Die Eiablagestelle ist eingesunken. Grössere Larven schneiden Atemlöcher in die Fruchthaut, was die Fäulnisgefahr weiter erhöht.
Grüne Kirschen gelten im Allgemeinen als nicht anfällig. Wenn sie eine gelbe Farbe erreichen sind sie nur wenig anfällig. Einige Wochen vor der Ernte sind sie vollständig anfällig. Der Zeitraum der Anfälligkeit ist ähnlich wie bei der Kirschenfliege (Rhagoletis cerasi).
Die Larven von D. suzukii sind visuell nicht von denen anderer Drosophila Arten (zum Beispiel D. melanogaster) unterscheidbar.
In sehr milden Wintern beginnen die überwinternden Fliegen früh aktiv zu werden und das Risiko von Schäden steigt, wenn sich die Früchte der Reife nähern.

Abb. 4. Weibchen und Männchen (2. und 3. Bild) der Kirschessigfliege (Drosophila suzukii). Der dunkle Fleck an den Flügeln der Männchen ist deutlich zu erkennen.

Beschreibung des Schädlings

Die Eier sind milchig-weiss, länglich (0.6 x 0.18 mm gross) und werden in das Fruchtfleisch der Kirsche gelegt (Beers et al 2021). An einem Ende des Eis befinden sich zwei charakteristische, dünne, weisse Fäden (Atemschläuche), die aus der Frucht herausragen und an der Fruchtoberfläche sichtbar sind. Häufig werden sie nur als einzelner Faden angesehen.
Die ausgewachsenen Maden sind typische Drosophila-Larven, mit schwarzen Mundhaken am vorderen Ende und einem Paar charakteristischer Stigmen (Atmungslöcher der Maden) am hinteren Ende. Es gibt drei Larvenstadien, wobei das letzte Stadium etwa 4 mm lang ist.
Die Puppen sind braun und weisen am vorderen Ende zwei Ausstülpungen mit kleinen fingerartigen Fortsätzen (Atemschläuche) auf. Sie sind etwa 3 mm lang, wobei die Weibchen etwas größer sind als die Männchen.
Die erwachsenen Tiere (Fliege) ähneln Drosophila melanogaster. Sie sind etwas grösser (etwa 2 bis 4 mm lang) und haben einen hellbraunen Körper und rote Augen (Abb. 4). Ausserdem besitzen sie ein Paar Flügel und ein Paar rudimentäre Hinterflügel. Die Hinterleibssegmente haben durchgehende, dunkle Querstreifen. Die Fühler sind kurz und stummelartig. Das Hauptmerkmal der weiblichen D. suzukii ist der harte, gezackte Ei-Legeapparat (Ovipositor), der bei D. melanogaster fehlt. Das Hauptmerkmal der Männchen der Kirschessigfliege ist ein einzelner, dunkler Fleck am äusseren Rand jedes Flügels (Abb. 4), von dem die Art ihren englischen Namen hat (spotted wing drosophila). Achtung! Die Flecken sind erst 8-10 Stunden (je nach Temperatur auch erst später) nach dem Schlüpfen vollständig ausgebildet. Ein weiteres Merkmal der Männchen sind die dunklen Bänder, die die Vorderbeine umgeben.

Lebenszyklus

Die Kirschessigfliege überwintert meistens in Verstecken in umliegenden Wäldern oder Hecken, zum Beispiel unter immergrünem Laub oder abgestorbenen Blättern (Mazzi et al. 2021). Die Überlebensrate ist in milden Wintern deutlich höher als in kalten, strengen Wintern. Die überwinterten Fliegen sind im Frühjahr 3-9 Wochen lang aktiv. Nach der Paarung beginnen die Weibchen ab dem Farbumschlag der Früchte mit der Eiablage. Jedes Weibchen kann bis zu 300 Eier legen, wobei jedes Ei einzeln unter die Fruchthaut abgelegt wird. Die Anzahl Eier pro Kirsche ist oft sehr hoch. Aus den Eiern schlüpfen die Larven innerhalb von Stunden bis 3 Tagen nach der Eiablage. Die Maden ernähren sich von der Frucht, verpuppen sich in derselben und schlüpfen später als erwachsene Fliege. Die befallenen Kirschen beginnen sehr schnell zu faulen. Im Herbst, bei kürzerer Tageslängen und kühleren Temperaturen, treten die letzten erwachsenen Tiere in eine Überwinterungsphase (Diapause) ein. Diese Wintermorphen sind etwas grösser und dunkler gefärbt.

Epidemiologie

Die Eiablage in intakte, reifende Früchte, die hohe Reproduktionsrate des einzelnen Weibchens, die Vielzahl an Wirtspflanze und die kurze Entwicklungszeit vom Ei zur Fliege machen die Kirschessigfliegen so gefährlich (Vogt 2020).
Die Entwicklung der Kirschessigfliege ist weitgehend von der Temperatur und der Tageslänge abhängig. Je nach Temperatur dauert die Entwicklung vom Ei bis zur Fliege 8 bis 25 Tage (Tochen et al. 2014). Pro Jahr entwickeln sich deshalb mehrere Generationen. Die erwachsenen Insekten können im Sommer 3-9 Wochen alt werden. Die überwinternden Fliegen überleben allerdings mehrere Monate.

Wirtsspektrum

Die Liste der Wirtspflanzen von D. suzukii ist lang. Sie enthält viele Arten der Familie der Rosaceae wie Kirschen (Prunus avium), Johannisbeeren (Ribes sp.), Himbeeren (Rubus idaeus), Brombeeren (Rubus fructicosus aggr.), Erdbeeren (Fragaria ananassa), Pflaumen (Prunus domestica), Pfirsiche (Prunus persica) und Aprikosen (Prunus armeniaca). Ausserdem werden auch Schwarzer Holunder (Sambucus nigra), Geissblatt (Lonicera sp.), Hartriegel (Cornus sp.), Heidelbeeren (Vaccinium sp.) oder Weinreben (Vitis vinifera) befallen (Cini et al., 2012).

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

  • Die Überwachung des Schädlingsbefalls mit Fallen vom Fruchtansatz bis zum Ende der Ernte hilft, den Beginn der Fliegenaktivität zu erkennen und festzustellen, wann die Populationen zunehmen (Stäheli et al. 2020). Fallen und Köder (zum Beispiel Apfelessig, Wein, Obstsäfte oder eine gärende Hefe-Zucker-Mischung mit etwas Spülmittel) können zu Hause selbst hergestellt oder von kommerziellen Anbietern gekauft werden. Die Köder müssen regelmässig mit einer Lupe auf Vorhandensein von Kirschessigfliegen (Männchen mit Punkten an den Flügeln) untersucht werden. Möglichst die gesamte Betriebsfläche überwachen.
  • Befallskontrolle: Probenahme von Kirschen, um festzustellen, ob Früchte mit Larven befallen sind. Methode siehe Agroscope: Merkblatt KEF Steinostkulturen, Stäheli et al. 2020 (Link).
  • Volleinnetzung: Mit Insektenschutznetzen (Maschenweite weniger oder gleich 1.3 mm) kann der Einflug der Kirschessigfliege in die Obstanlage verhindert werden (Stäheli et al. 2020). Die Netze ab Ende der Blüte schliessen und bis zur Ernte geschlossen halten. Überwachung des Befalls innerhalb der Netze. Nach dem Schliessen der Netze eventuell Massenfang innerhalb der eingenetzten Obstanlage mit geeigneten Lockmitteln.
  • Die Behandlung der Kirschen mit Gesteinsmehl (Kaolin 2 %) zeigte im Steinobstanbau einen guten Schutz vor einer Eiablage durch die Kirschessigfliege. Der weisse Belag ist auch bei der Ernte noch auf den Früchten sichtbar, deshalb ist diese Behandlung nur für Kirschen geeignet, die für die Brennerei bestimmt sind (Mazzi et al. 2021).
  • Die Kirschen sollen fristgerecht gepflückt und komplett geerntet werden, eventuell sind mehrere Durchgänge nötig. Befallene Früchte aus der Anlage entfernen und vernichten (nicht kompostieren).
  • Rasche Kühlung der Früchte nach der Ernte, damit wird das Schlüpfen von Fliegenlarven aus schon abgelegten Eiern verhindert.
  • Die Bekämpfung der Kirschessigfliege mit Insektiziden im Kirschenanbau ist sehr schwierig, da reifende Früchte befallen werden und die Zeit bis zur Ernte sehr kurz ist.

Literatur

Beers EH, Smith TJ, and Walsh D, 2021. Spotted Wing Drosophila. (Online)

Cini A, Ioriatti C, Anfora G, 2012. A review of the invasion of Drosophila suzukii in Europe and a draft research agenda for integrated pest management. Bulletin of Insectology 65 (1): 149-160.

Kehrli P, Hohn H, Baroffio C, Fischer S, 2012. La drosophile du cerisier, un nouveau ravageur dans nos cultures fruitièresa. Revue Suisse de Viticulture, Arboriculture, Horticulture, 44 (1) 69-71.

Mazzi D, Kehrli P, Egger B, Christ B, Collatz J, Daniel C, 2021. F&E Task Force Kirschessigfliege, Schlussbericht (Agroscpe und FiBL) (Link)

Tochen S, Dalton DT, Wiman N, Hamm C, Shearer PW, Walton VM, 2014. Temperature-Related Development and Population Parameters for Drosophila suzukii (Diptera: Drosophilidae) on Cherry and Blueberry. Environmental Entomology, Volume 43, Issue 2, 1 April 2014, Pages 501–510. (Link)

Stäheli N, Egger B, Kehrli P, Mazzi D, Linder C, 2020. Bekämpfungsstrategie gegen Drosophila suzukii in Steinobstkulturen. Agroscope Merkblatt | Nr. 114 / 2020 (Link)

Vogt H, 2020. Die invasive Kirschessigfliege – ein bedeutender Schädling: Ein Winzling lehrt das Fürchten. Biologie unserer Zeit 4/2020 (50). Wiley-VCH Verlag GmbH & Co (online)

 

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