Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni)

Sprenkelnekrose der Gerste

wird auch Ramularia-Blattflecken oder Sprenkelkrankheit genannt

ramulariose de l'orge (franz.), ramularia leaf spot (engl.)

Wissenschaftlicher Name: Ramularia collo-cygni B. Sutton & J.M. Waller
Synonyme: Ophiocladium hordei Cavara, Ovularia hordei (Cavara) R. Sprague, Ramularia hordeicola U. Braun

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Dothideomycetes, Dothideomycetidae, Capnodiales, Mycosphaerellaceae

Die Sprenkelnekrose oder Sprenkelkrankheit wird von Ramularia collo-cygni verursacht. Erste Symptome erscheinen meist erst zur Zeit der Gerstenblüte. An den Blättern entstehen schwarzbraune, eckige Flecken, die seitlich von den Blattnerven begrenzt und von einem gelben Hof umgeben sind. Die Flecken sind auf einer Blattseite dunkler als auf der Gegenseite. Oft verläuft die Krankheit anfänglich ohne Krankheitssymptome, obwohl der Pilz bereits die Blätter besiedelt hat. Folgen auf eine kühle und feuchte Witterung Tage mit starker Sonneneinstrahlung, kommt es sehr schnell zur Bildung von Blattnekrosen und zum Absterben der Blätter.

Sprenkelnekrose (Ramularia collo cygni) an Gerste
Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni) an GersteAbb. 1. Sprenkelnekrose oder Sprenkelkrankheit der Gerste, verursacht durch Ramularia collo-cygni: schwarzbraune, eckige Flecken auf den Blattspreiten. Die Flecken sind von einem gelben Hof umgeben und durch Blattnerven begrenzt (unten).

Abb. 2. Sprenkelnekrose oder Sprenkelkrankheit der Gerste, verursacht durch Ramularia collo-cygni

Bedeutung

Der Pilz Ramularia collo-cygni gewinnt im Gerstenanbau zunehmend an Bedeutung, nicht nur in Zentral- und Nordeuropa (Österreich, Deutschland, Tschechien, Dänemark, Schweiz, Irland, Schottland und Norwegen), sondern auch in Neuseeland, Kanada und Südamerika (Argentinien und Uruguay). Das Pathogen wurde 1893 von Cavara in Norditalien entdeckt und als Ophiocladium hordei Cav. beschrieben. Sutton und Waller teilten den Pilz 1988 neu ein und nannten ihn wegen der schwanenhalsförmigen Konidienträger R. collo-cygni.

Krankheitsbild

Typische Symptome dieser Krankheit sind schwarzbraune, 1-3 mm grosse, eckige Flecken auf der Blattspreite und Blattscheide (Abb. 1 und 2). Die Flecken sind in der Mitte oft dunkler, durch die Blattnerven begrenzt und von einem gelben Hof umgeben. Sie sind auf der dem Licht ausgesetzten Blattseite zudem dunkler als auf der unbelichteten Seite. Mit der Lupe sind in Längsreihen angeordnete Konidienträger als weisse Büschel zu erkennen (Abb. 4). Bei einem starken Befall fliessen die Blattflecken zusammen, die Blätter werden beinahe schwarz und sterben vorzeitig ab. Während der Reife kann der Pilz auch auf Grannen und Spelzen vorkommen. Die Grannen werden fleckig und zeigen nach einer feuchten Wetterperiode einen leicht rötlichen Schimmer. Die befallene Gerste reift schnell ab.

Verwechslungsmöglichkeiten

  • Physiologisch verursachte Blattflecken (PLS = Physiological Leaf Spot): Bei dieser Art von Flecken handelt es sich um nicht-parasitäre, genetisch bedingte Blattflecken. Je nach Sorte sind die Blattflecken rund oder länglich, die Nekrosen sind nicht durch Blattadern begrenzt und nicht von einem gelben Hof umgeben. Zudem sind die Flecken auf beiden Blattseiten gleich.
  • Netzfleckenkrankheit verursacht durch Drechslera teres: chlorotische bis dunkelbraune Läsionen (Spottyp) oder längs und quer verlaufende dunkelbraune Linien (Netztyp)
  • Mehltauabwehrnekrosen (MLO Flecken auf Sommergerste): unterschiedlich grosse schwarze Nekrosen, ohne scharfe Abgrenzung zum gesunden Gewebe und ohne gelben Hof, mit der Lupe ist Mehltaumyzel erkennbar.
  • Pollennekrosen: vorwiegend an den oberen Blättern, wo Pollen sich anhäufen können, die Abgrenzung der Nekrosen zum umliegenden Gewebe ist diffus.

Für eine sichere Diagnose der Sprenkelnekrose legt man das fragliche Gerstenblatt während zweier Tage bei Zimmertemperatur in eine Feuchtkammer. Anschliessend wird das Blatt mikroskopisch untersucht: Sind schwanenhalsförmige Konidienträger mit kleinen Konidien sichtbar, ist die Ursache der Flecken die R. collo-cygni.

Pathogen

Die Konidienträger der R. collo-cygni haben die charakteristische Form eines Schwanenhalses (Abb. 3). Sie sind in Gruppen angeordnet und wachsen aus den Spaltöffnungen, vor allem auf der Blattunterseite (Abb. 4). Die Konidien sind im Durchschnitt 8 µm lang und 4 - 5 µm breit.

Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni) an Gerste: Konidienträger und Konidien
Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni) an Gerste: KonidienAbb. 3. Schwanenhalsförmige Konidienträger (oben) und Konidien (unten) der Ramularia collo-cygni.

Lebenszyklus

Ramularia collo-cygni überdauert die Zeit zwischen zwei Gerstenkulturen (Sommer – Herbst) auf Wildgräsern oder Ausfallgetreide. Überwintern kann der Krankheitserreger auf Wintergerste, da er tiefe Temperaturen gut erträgt.
Erste Ramularia-Blattflecken können bereits im Herbst oder im zeitigen Frühjahr auf den Blättern der Wintergerste beobachtet werden. Dort produziert der Pilz Konidien, die mit Wind und Regenspritzern von den unteren Blättern zu den oberen Blattetagen gelangen. Zum Zeitpunkt der Blüte hat der Pilz meist das Fahnenblatt erreicht. Oft verläuft die Krankheit bis zu diesem Zeitpunkt beinahe ohne Krankheitssymptomen, obwohl der Pilz bereits die Blätter besiedelt hat (endophytische Wachstumsphase). Nach der Blüte erscheinen erste schokoladenbraune Punkte (Sprenkel), die meist einen gelben Hof haben. Diese Flecken breiten sich je nach Witterung sehr schnell aus und die grüne Blattfläche kann innerhalb von zwei Wochen zerstört werden.
Verantwortlich für das schnelle Absterben der Blätter sind vom Pilz gebildete Toxine, sogenannte Rubelline (Heiser et al. 2003). Diese werden durch Sonnenlicht aktiviert. Dabei entstehen „Sauerstoffradikale", Formen des Sauerstoffs, welche für die Pflanzen schädlich sind und die Blattzellen in Kürze abtöten. Der bis zu diesem Zeitpunkt endophytisch in der Pflanze wachsende Pilz ernährt sich jetzt von den abgestorbenen Zellen.
Dies kann vor allem an Blättern beobachtet werden, die dem direkten Sonnenlicht ausgesetzt sind. Folgen auf eine kühle und feuchte Witterung Tage mit starker Sonneneinstrahlung ist das Absterben der Blätter besonders schnell. Die Pflanzen schliessen die Spaltöffnungen der stark bestrahlten Blattflächen und in den Zellen kommt es zur Bildung der oben erwähnten „Sauerstoffradikalen".

Epidemiologie

Die Übertragung der Krankheit mit dem Saatgut ist ein wichtiger Risikofaktor für einen Befall. Warme Herbsttage mit Taubildung fördern die Entwicklung der Krankheit an den jungen Pflanzen.
R. collo-cygni erträgt tiefe Temperaturen unbeschadet und kann deshalb auf Wintergerste gut überwintern.
Im Frühjahr ist eine feuchte Witterung mit einer langen Blattnässedauer für die Ausbreitung des Pilzes sehr förderlich. Es werden massenhaft Sporen gebildet, die ideale Bedingungen finden, um die Pflanzen zu infizieren.

Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni) an Gerste: Konidienträger und Konidien
Sprenkelnekrose (Ramularia collo-cygni) an Gerste: Konidienträger und KonidienAbb. 4. Ramularia collo-cygni: Auf den Flecken wachsen aus den Spaltöffnungen büschelweise Konidienträger mit Konidien

Wirtsspektrum

Ramularia collo-cygni hat einen sehr grossen Wirtskreis. Sie befällt neben Gerste, Weizen, Hafer, Roggen und Triticale auch Quecke, Windhalm, Raigras und Hühnerhirse (Frei 2009). Diese Vielzahl an Wirtspflanzen erlaubt dem Pilz, von einer Gerstenkultur zur nächsten zu überdauern.

Bekämpfung

  • Ernterückstände, Ausfallgetreide und Wildgräser im Herbst beseitigen und flach einarbeiten, um „grüne Brücken" zu vermeiden
  • Kein Anbau von Gerste nach Gerste
  • Aussaat von wenig anfälligen Sorten: Die Anfälligkeit der Gertsensorten für Ramularia collo-cygni ist für die Schweiz in der Liste der empfohlenen Getreidesorten, für Deutschland in der Sortenliste des Bundessortenamtes und für Österreich in der Österreichischen beschreibenden Sortenliste angegeben.
  • Verwendung von zertifiziertem Saatgut
  • Wintergerste eher spät aussäen
  • Eine angemessene Stickstoffdüngung gemäss den Grundlagen für die Düngung im Acker- und Futterbau schützt die Gerste vor Stress und hilft die Krankheit einzudämmen.
  • Der Einsatz von Fungiziden lohnt sich erst, wenn die Bekämpfungsschwelle erreicht ist: In der Schweiz sind Betriebe, die gemäss dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) wirtschaften, verpflichtet, Pflanzenschutzmittel nur gemäss dem Schadschwellenprinzip anzuwenden. Schadschwellen, beziehungsweise Bekämpfungsschwellen, geben einen Anhaltspunkt, bei welcher Dichte eine Bekämpfung mit Pflanzenschutzmitteln erfolgen soll und wirtschaftlich sinnvoll ist.
    Die Bekämpfungsschwelle für die Sprenkelkrankheit der Gerste ist in der Schweiz wie folgt festgesetzt (Agridea, Datenblätter Ackerbau): Während der Entwicklungsstadien 39 (Fahnenblatt voll entwickelt) bis 51 (Beginn Ährenschieben) werden 40 Halme über die Felddiagonale eingesammelt und die 3 obersten, vollentwickelten Blätter pro Halm auf Befall kontrolliert. Die Bekämpfungsschwelle ist bei Befallsbeginn auf den drei obersten, voll entwickelten Blättern erreicht.
  • Empfohlene und zugelassene Pflanzenschutzmittel zum Schutz gegen die Sprenkelkrankheit finden sie für die Schweiz im BLW Pflanzenschutzmittelverzeichnis (Bundesamt für Landwirtschaft); für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Pflanzenschutzmittelregister des BAES (Bundesamt für Ernährungssicherheit).

Literatur

Agridea, 2021. Datenblätter Ackerbau. AGRIDEA, CH-8315 Lindau (Bekämpfungsschwellen)

Cavara F, 1893. Über einige parasitische Pilze auf Getreide.- Zeitschrift für Pflanzenkrankheiten 3: 16-26.

Heiser I, Sachs E, Liebermann B, 2003. Photodynamic oxygen activation by rubellin D, a phytotoxin produced by Ramularia collo-cygni (Sutton et. Waller) Physiological and Molecular Plant Pathology 62: 29 - 36.

Sutton B, Waller JM (1988): Taxonomy of Ophiocladium hordei, causing leaf lesions on Triticale and other Gramineae. Transactions of the British Mycological Society 90, 55 - 61.