Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Kohlfliege (Delia radicum

Kohlfliege

mouche du chou (franz.); cabbage root fly, cabbage maggot (engl.)

wissenschaftlicher Name: Delia radicum L.

Synonym: Hylamya brassicae Bch., Delia brassicae (Wied.)

Taxonomie: Animalia, Arthropoda, Insecta, Diptera, Anthomyiidae

Die Kleine Kohlfliege (Delia radicum) ist einer der wichtigsten Schädlinge im Kohlanbau. Sie ist weit verbreitet und wurde Anfang des 19. Jahrhunderts aus Europa nach Nordamerika eingeschleppt. Die Larven (Maden) fressen an und in den Wurzeln, gelegentlich auch im oberirdischen Pflanzengewebe verschiedener Kreuzblütler (Brassicaceae). Die Blätter und später auch die ganzen Pflanzen beginnen zu welken. Die Pflanzen können leicht aus dem Boden gezogen werden. Die Wuzeln und das befallene Pflanzengewebe sind braun verfärbt und weisen Frassgänge auf. Häufig finden sich auch Fliegenmaden in den Wurzeln. Kohlgemüse kann durch Abdecken mit Kulturschutznetzen vor Kohlfliegenbefall geschützt werden.

Kohlfliege (Delia radicum) Abb. 1. Adulte Kohlfliege (Delia radicum), © Tomasz Klejdysz, Alamy Stock Photos

Kleine und Grosse Kohlfliege

Die beiden Kohlfliegen ähneln den Stubenfliegen und können nur von Spezialisten unterschieden werden. Die Kleine Kohlfliege (Abb. 1) ist ein bedeutender, weit verbreiteter Schädling an Kohlgemüse und Gegenstand dieses Artikels.
Die Grosse Kohlfliege oder Rettichfliege (Delia floralis) bildet in der Regel nur eine Generation pro Jahr, die von Juli bis September auftritt (Crüger et al. 2002). Zu diesem Zeitpunkt befinden sich die Kohlpflanzen meist nicht mehr im empfindlichen Jugendstadium, so dass sie von diesem Schädling nicht mehr geschädigt werden. Er ist hingegen eine Gefahr für den Rettich und die Kohlrübe.   

Kohlfliege (Delia radicum) Schadbild KohlAbb. 2. Kohlfliege (Delia radicum): Schadbild von Kohl, © Nigel Cattlin, Alamy Stock Photos

Kohlfliege (Delia radicum): Larven in KohlwurzelnAbb. 3. Larven (Maden) der Kohlfliege (Delia radicum) in Kohlwurzeln, © Nigel Cattlin, Alamy Stock Photos

Kohlfliege (Delia radicum) Larve (Made)Abb. 4. Larve (Made) der Kohlfliege (Delia radicum), © Nigel Cattlin, Alamy Stock Photos

Schadbild

Die Maden der Kleinen Kohlfliege schädigen die Kreuzblütler, indem sie sich von den Wurzeln und in geringerem Masse vom oberirdischen Pflanzengewebe ernähren.
Besonders gefährdet sind Jungpflanzen und frisch gepflanzte Bestände (Schmon et al. 2018). Anzeichen für Frassschäden an den Wurzeln können ein Welken und Vergilben einzelner Blätter oder ganzer Pflanzen sein (Abb. 2). Das Absterben der Pflanzen fällt oft mit Trockenheit zusammen, wenn die Wurzelschäden für die Pflanzen zum Problem werden. Die Pflanzen lassen sich leicht aus dem Boden ziehen. Die Wuzeln sind braun verfärbt und verfault. Oft findet man auch Fliegenmaden in den Wurzeln (Abb. 3 und 4).
Bei Rettich, Radieschen und Kohlrüben kann man bei der Ernte an der Oberfläche und im Inneren der Wurzeln braune Gänge beobachten, in denen sich oft noch Fliegenmaden befinden.
Die Kohlfliegenmaden können bei Chinakohl von den Wurzeln bis in den Strunk und in die bodennahen Blätter eindringen (Bedlan und Kahrer 2002). Auch Brokkoli können Frassspuren am Strunk aufweisen.
Durch die Kleine Kohlfliege verursachte Frassschäden können auch an und in den Röschen von Rosenkohl auftreten. Die Eiablage der 3. Generation erfolgt wahrscheinlich bei Rosenkohl an die Blattachseln (Crüger et al. 2002).
Gleiches gilt auch für Kopfkohl, dessen Kopf gelegentlich Frassgänge der Kleinen Kohlfliege aufweist.

Beschreibung des Schädlings

Die Kleine Kohlfliege ist ein Zweiflügler (Ordnung: Diptera) aus der Familie der Blumenfliegen (Anthomyiidae).
Eier: Die Eier sind weiss, länglich, etwa 1 mm lang und sind an beiden Enden deutlich zugespitzt (Capinera 2001).
Larven: Die Larven sind Maden ohne Kopfkapsel und ohne Beine (Kahrer und Gross 2002). Sie sind weiss und bis zu 8 mm lang. Das Vorderende ist zugespitzt und schwarze, hakenförmige Mundwerkzeuge sind sichtbar (Abb. 4). Das Hinterende bildet eine charakteristische Fläche und ist mit kleinen Dörnchen ausgestattet, welche zur Bestimmung der Art verwendet werden können (Hoffmann und Schmutterer 1999).
Puppe: Die Puppe sieht aus wie ein „Fässchen“ (sogenannte Tönnchenpuppen) und wird aus der letzten Larvenhaut gebildet (Porteneuve et al. 2015). Die Puppe ist oval, etwa 6 mm lang und dunkelbraun.
Erwachsene Fliege: Die Kleine Kohlfliege (Delia radicum) sieht ähnlich aus wie die Stubenfliege (Porteneuve et al 2015). Sie ist 5 bis 8 mm lang, grauschwarz und ziemlich borstig (Abb. 1). Sie kann nur von Spezialisten von anderen Blumenfliegen (Delia spp.) unterschieden werden. Eine gute Binokularlupe ist unerlässlich, um das Vorhandensein der Gattungs- und Artmerkmale zu überprüfen

Lebenszyklus

Nach Schwarz et al. 1990, Hoffmann und Schmutterer 1999; Crüger et al. 2002; Kahrer und Gross 2002; Porteneuve et al. 2015; Schmon et al. 2018.
Die Kohlfliege überwintert im Puppenstadium (Tönnchenpuppe) im Boden von vorjährigen Kohl- und Rapsfeldern sowie in überwinternden Rapsbeständen. Die ersten erwachsenen Fliegen erscheinen ab Mitte April und ernähren sich von Nektar blühender Wildpflanzen. Die Weibchen haben bei 20 °C eine relativ kurze Lebensdauer von 12 bis 15 Tagen.  Nach der Paarung legen die Weibchen ihre Eier einzeln oder in kleinen Gruppen an den Wurzelhals der Wirtspflanzen oder in den angrenzenden Boden ab. Bei Rosenkohl wurde beobachtet, dass die Eier in den Blattachseln der Pflanze abgelegt wurden und dass später Frassspuren an den Röschen auftraten. Jedes Weibchen legt insgesamt etwa 150 bis 180 Eier.
Die Maden schlüpfen je nach Bodentemperatur nach drei bis sechs Tagen und fressen zuerst an den feinen Seitenwurzeln der Pflanze. Später dringen sie in die Wurzeln ein und ernähren sich von diesen während drei bis vier Wochen. Sie durchlaufen dabei drei Larvenstadien.
Am Ende des dritten Larvenstadiums verlässt die Made die Wurzel und verpuppt sich im Boden in einer Tiefe von 5 bis 15 cm. Zwei bis drei Wochen später schlüpfen die erwachsenen Tiere einer neuen Generation.
Je nach Witterung können 2 bis 3 (oft auch 4) Generationen pro Jahr auftreten. Die Fliegen der 2. Generation erscheinen im Hochsommer, diejenigen der 3. Generation in den Monaten September bis Oktober. Die Fliegen der einzelnen Generationen überlappen sich jedoch meist sehr stark (ausser bei der 1. Generation), so dass eine Prognose über das Auftreten der Kohlfliege schwierig ist. Eine Generation dauert je nach Witterung etwa 40 bis 60 Tage.
Im Herbst bei abnehmender Tageslänge und Temperatur verpuppen sich die Fliegenmaden 10 cm tief im Boden und gehen in eine Ruhephase (Diapause) über. Überwinternde Puppen benötigen mindestens 22 Wochen mit Temperaturen unter 6 °C, um die Diapause zu beenden.

Wie findet die Kohlfliege ihre Wirtspflanze?

Die Weibchen der Kohlfliege sind in der Lage ihre Wirtspflanzen aufzuspüren, da sie flüchtige, chemische Substanzen, die von den Kreuzblütlern abgegebenen werden, über eine Entfernung von etwa 20 Metern wahrnehmen können und von diesen angelockt werden (Porteneuve et al. 2015). Der Farbunterschied (Kontrast) zwischen den grünen Blättern und der Farbe des Bodens gibt der Fliege einen zusätzlichen visuellen Hinweis.
Hat die Kohlfliege eine mögliche Wirtspflanze entdeckt, umkreist sie diese spiralförmig und berührt dabei die Blätter der Pflanze, um weitere positive Reize zu sammeln. Je nach Pflanze muss das Insekt mehr oder weniger Blätter berühren, um ein ausreichendes Signal für die Eiablage zu erhalten. Diese Flüge sind angeboren und ermöglichen es der Fliege, sich für eine Landung zu entscheiden. Das Weibchen wählt so einen geeigneten Ort, an dem die künftigen Larven Nahrung finden können. Gleichzeitig muss der Boden von guter Qualität sein. Er sollte bereits ab einer geringen Tiefe feucht sein. Sind diese Bedingungen erfüllt, legt das Weibchen seine Eier in geringer Bodentiefe am Wurzelhals oder im angrenzenden Boden ab.

Epidemiologie

Die Kleine Kohlfliege kommt vor allem in kühleren Regionen vor.
Im Gegensatz zur ersten Generation werden die Folgegenerationen stark von der Witterung beeinflusst. Regen und kühles Wetter können die Eiproduktion verringern und die Fliegen verhungern lassen. Andererseits reagieren die Eier sehr empfindlich auf Trockenheit.
Die Entwicklung der Puppen ist besonders empfindlich gegenüber hohen Temperaturen, die normalerweise während der Sommergeneration auftreten.

Wirtsspektrum

Die Kleine Kohlfliege (D. radicum) befällt alle Kreuzblütler (Brassicaceae) wie z.B. Kohl, Rosenkohl, Rettich, Radieschen und Chinakohl. Aber auch Raps, Ölrettich, Rübsen und Senf, die als Gründüngung verwendet werden, gehören zu den Wirtspflanzen.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

  • Förderung von Nützlingen durch Anlegen von extensiven Wiesen und Buntbrachen in unmittelbarer Nähe: Schlupfwespen, Laufkäfer, Kurzflügler und Spinnen (Vieweger et al. 2023).
  • Anbauunterbruch zu anderen Kreuzblütlern (inklusive Raps) beachten!
  • Weiträumiger Abstand von 1 km (!) zu Raps und Kohlfeldern mit Vorjahresbefall (Luka und Koller 2019).
  • Untersaaten mit Erdklee (Trifolium subterraneum) oder eine Mischkultur (Kühne et al. 2006) stören das Orientierungsmuster der Fliegen bei der Suche nach geeigneten Wirtspflanzen und reduzieren so die Eiablage.
  • Vor der Aussaat keinen frischen Stallmist verwenden!
  • Kühne et al. (2006) empfehlen den Pflanzzeitpunkt so zu wählen, dass die Eiablage der ersten Kohlfliegengeneration bereits abgeschlossen ist und die Pflanzen zum Zeitpunkt der Eiablage der 2. Generation schon kräftig entwickelt sind.
  • Die Pflanzen tief setzen und ein schnelles Wachstum der Pflanzen (inklusive Wurzelwachstum) fördern: z.B. durch das Auspflanzen vorgezogener Jungpflanzen.
  • Anhäufeln der Jungpflanzen von Kopfkohl fördert die Bildung von Seitenwurzeln.
  • Während der Flugzeiten regelmässige Kontrolle der Bestände auf Befall (Eiablage am Wurzelhals) und/oder Überwachung des Fluges mit Gelbfallen, um Bekämpfungsmassnahmen gezielt einsetzen zu können.
  • Abdecken der Kulturen mit Kulturschutznetzen (Andermatt Biocontrol) oder mit Vlies, sofern kein Vorjahresbefall auf gedeckten Feldern vorliegt; eventuell genügt auch ein vertikaler Insektenschutzzaun.
  • In Haus- und Kleingärten: Verwendung von Kohlkrägen (Andermatt Biogarten), die um den Wurzelhals von Setzlingen gelegt werden. Der Kohlkragen verhindert die Eiablage der Kohlfliege am Wurzelhals.
  • Zugelassene Pflanzenschutzmittel zum Schutz gegen die Kleine Kohlfliege (Delia radicum) finden Sie für die Schweiz in der Betriebsmittelliste für den biologischen Anbau sowie im Pflanzenschutzmittelverzeichnis des BLW; für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Verzeichnis der zugelassenen Pflanzenschutzmittel.
  • Ernterückstände zerkleinern (Strünke der Kohlpflanzen), tief einarbeiten und gut verrotten lassen.

Literatur

Bedlan G, Kahrer A, 2002. Wichtige Krankheiten und Schädlinge im Gemüsebau. Verlag Jugend & Volk GmbH, Wien: 248 S.

Capinera JL, 2001. Handbook of Vegetable Pests. Academic Press New York: 729 S.

Crüger G, Backhaus GF, Hommes M, Smolka S, 2002. Pflanzenschutz im Gemüsebau. 4. Auflage, Verlag Eugen Ulmer Stuttgart: 318 S.

Hoffmann GM, Schmutterer H, 1999. Parasitäre Krankheiten und Schädlinge an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart: 675 S.

Kahrer A, Gross M, 2002. Gemüseschädlinge. Österreichischer Agrarverlag, Leopoldsdorf: 205 S.

Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, Stuttgart: 288 S.

Luka H, Koller M, 2019. Schädlingsregulierung im Biokopfkohlanbau. Herausgeber: Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, Ackerstrasse 113, Postfach 219, CH-5070 Frick: 12 S.  (Link)

Schwarz A, Etter J, Künzler R, Potter C, Rauchstein HR, 1990. Pflanzenschutz im integrierten Gemüsebau. Verlag Landwirtschaftliche Lehrmittelzentrale , 3052 Zollikofen, 321 S.

Porteneuve C, Baty-Julien C, Estorgues V, Maitre R, Penguilly D, Mérendet V, Méry A, Raynal C, Serrurier M, Villeneuve F, 2015. Les choux à inflorescence: chou-fleur, chou brocoli, chou romanesco. Paris: Centre Technique Interprofessionnel des Fruits et Légumes (CTIFL): 331 S.

Schmon R, Sauer C, Vogler U, 2018. Die Kleine Kohlfliege (Delia radicum): Biologie und Bekämpfungsmöglichkeiten. Merkblatt Nr. 91, Agroscope, 8820 Wädenswil

Vieweger A, Hauenstein S, Koller M, 2023. Pflanzenschutz im Biogemüsebau: Krankheits- und Schädlingsregulierung im Freilandanbau. Merkblatt Nr. 1145, Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, CH-5070 Frick:: 28 S. (Link)

 

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