Erstickungsschimmel der Gräser
quenouille des graminées (franz.), choke (engl.)
Wissenschaftlicher Name: Epichloë typhina (Pers.) Tul. & C. Tul.
Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Sordariomycetes, Sordariomycetidae, Hypocreales, Clavicipitaceae
Der Erstickungsschimmel verhindert das Ährenschieben von Knaulgras (Dactylis glomerata), Timothe / Lieschgras (Phleum pratense) und von zahlreichen Wildgräsern. Er bildet ein weisses Stroma, das den schossenden Halm kolbenartig umschliesst und dabei den sich entwickelnden Blütenstand erstickt. Ein starkes Auftreten dieses Pilzes in einem Bestand kann deshalb vor allem in der Saatgutproduktion grösseren Schaden verursachen.
Abb. 1. Mit Epichloë typhina (Erstickungsschimmel) befallene Knaulgräser (Dactylis glomerata)
Schadbild
Das Schadbild des Erstickungsschimmels ist sehr auffällig und kann während des Ährenschiebens im Mai bei vielen Grasarten (Abb. 1 und 2) beobachtet werden. Das Stroma des Pilzes umschliesst kolbenartig (quenouille = Rohrkolben) die schossenden Halme oberhalb des letzten Halmknotens. Dabei hindert der Pilz das Gras einen Blütenstand zu entwickeln, er erstickt den Halm sozusagen. Während dies bei Knaulgras (Dactylis glomerata) und Timothe (Phleum pratense) häufig fast vollständig der Fall ist, erscheinen bei den Schwingelarten trotz Befall Rispen und die Blüte findet normal statt, wenn auch etwas verspätet (Raynal et al. 1989). Das Pilzstroma kann beim Knaulgras bis 15 cm lang werden. Es ist zunächst weiss, mit fortschreitender Entwicklung des Grases verfärbt es sich orange-gelb.
Im Sommer befallen häufig Hyperparasiten das Stroma, zum Beispiel Cladosporium und Penicillium Arten, dadurch verfärbt ich das Stroma braun oder grünlich. Auch findet man im Stroma häufig Fliegenlarven, die sich von diesem ernähren.
Abb. 2. Verschiedene Epichloë Arten befallen zahlreiche Kultur- und Wildgräser
Lebenszyklus
Epichloë typhina lebt in einer Symbiose mit Gräsern. Das Myzel wächst zunächst ohne äussere Symptome in den Blattscheiden und Meristemen. Den Winter überlebt der Pilz an der Triebbasis. Nach dem Schossen aber noch vor dem Ährenschieben bildet der Pilz ein den Halm umschliessendes Stroma. Auf diesem entstehen zunächst Konidien (Spermatien), welche von spezialisierten Fliegen (Botanophila sp.; Diptera: Anthomyiidae) auf das Stroma eines entgegengesetzten Paarungstyp übertragen werden (Leuchtmann et al. 2000). Nach der Befruchtung werden, versenkt im Stroma, Perithezien mit Asci und Ascosporen gebildet. Die Perithecien sind 300-600 x 250-300 µm gross. Die Asci (100-200 x 6-11 µm) sind länglich und enthalten je 8 fadenförmige, mehrzellige Ascosporen (50-120 x 1-1.5 µm) (Raynal et al. 1989). Die Ascosporen werden vorwiegend nachts ausgeschleudert und infizieren neue Gräser über Wunden, zum Beispiel frisch geschnittene Triebe.
Das Myzel von E. typhina kann auch mit den Samen übertragen werden. Beim Knaulgras kommt dies eher selten vor, da befallene Pflanzen kaum Rispen schieben und somit auch nur wenige Samen produzieren. Rotschwingel produziert hingegen trotz eines Befalls mit Erstickungsschimmel Samen. Hier ist die Übertragung der Krankheit mittels Saatgut ein wichtiger Faktor bei der Verbreitung des Pilzes.
Epidemiologie
Die Samenübertragung spielt beim Knaulgras nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das primäre Inokulum muss folglich aus einem Nachbarfeld kommen. Während des Aussaatjahres bildet das Knaulgras keine Halme, es können deshalb auch keine Krankheitssymptome beobachtet werden. Eine Infektion findet ebenfalls nicht statt, weil die Ascosporen nur über Schnittwunden infizieren können und der erste Schnitt erst spät im Jahr stattfindet wenn die Ascosporen nicht mehr keimfähig sind.
Zu Beginn des ersten Hauptnutzungsjahres ist das Knaulgras deshalb kaum mit dem Erstickungsschimmel befallen. Nach der ersten Samenernte können die Pflanzen aber von Ascosporen, welche aus benachbarten Feldern kommen, infiziert werden. Was sich dann in den Folgejahren in einem immer grösser werdenden Befall zeigt. Nach Raynal et al. (1989) sind im zweiten Nutzungsjahr im Mittel 10 % der Triebe befallen, im dritten bereits 30 %.
Wirtsspektrum
Weltweit wurden 10 Arten von Epichloë beschrieben: sechs davon kommen in Europa und Asien an Gräsern vor, vier findet man nur in Nordamerika (White, 1993; Leuchtmann und Schardl, 1998; Schardl und Leuchtmann, 1999). Die 10 Arten sind untereinander sexuell inkompatibel (mit einer Ausnahme), unterscheiden sich zum Teil morphologisch und leben in einer Symbiose mit jeweils spezifischen Grasarten. Die wirtschaftlich wichtigste Art ist E. typhina mit den Wirtspflanzen Knaulgras und Timothe (Lieschgras) und zahlreichen anderen Gräsern.
Raigräser (Lolium sp.) werden kaum befallen. Hier findet man gelegentlich die nahe verwandte Endophytenart Neotyphodium lolii, welches die asexuelle Form einer Epichloë Art ist.
Vorbeugende Bekämpfungsmassnahmen
Die Krankheit richtet vor allem in der Saatgutproduktion einen grösseren Schaden an (z. B. in Oregon, USA). Da ältere Bestände meist stärker befallen sind, wird in Frankreich empfohlen, nur während zweier Jahre Saatgut zu ernten (Raynal et al. 1989).
Literatur
Leuchtmann A. and Schardl C.L., 1998. Mating compatibility and phylogenetic relationships among two new species of Epichloë and other congeneric European species. Mycol. Res. 102 (10): 1169-1182.
Leuchtmann A. and Bultman T.L., 2000. Epichloë grass endophytes and their interaction with a symbiotic fly. In: Proceedings oft the 4th International Neotyphodium / Grass Interactions Symposium Soest 2000 (editors: Paul V.H. and Dapprich P.D.): 103-107.
Raynal G., Gondran J., Bournoville R. und Courtillot M. 1989. Ennemis et maladies des prairies. INRA paris: 249 S.
Schardl C.L. and Leuchtmann A., 1999. Three new species of Epichloë symbiotic with North American grasses. Mycologia 91: 95-107.
White J.F. Jr., 1993. Endophyte-host associations in grasses. XIX. A systematic study of some sympatric species of Epichloë in England. Mycologia 85: 444-455.