Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Graufäule der Reben (Botrytis cinerea)

Graufäule oder Grauschimmel

Pourriture grise (franz.); grey mould, bunch rot or blight (engl.)

wissenschaftliche Namen: Botryotinia fuckeliana (de Bary) Whetzel (sexuelle Form); Botrytis cinerea Pers. (asexuelle Form)

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Pezizomycotina, Leotiomycetes, Leotiomycetidae, Helotiales, Sclerotiniaceae

Die Graufäule, auch Grauschimmel, Sauerfäule, Edelfäule oder Botrytis-Traubenfäule genannt, wird durch den Pilz Botrytis cinerea verursacht. B. cinerea ist ein Schwächeparasit, der für eine erfolgreiche Infektion und Besiedlung der Wirtspflanze eine Nährstoffquelle (zum Beispiel Pollen, abgestorbenes Blütengewebe) oder ein verletztes oder alterndes Pflanzengewebe benötigt. Der Pilz gedeiht unter Bedingungen mit hoher Luftfeuchtigkeit zwischen Traubenreife und Ernte besonders gut. Er ist in der Lage, in infiziertem Gewebe über längere Zeiträume zu ruhen und unbemerkt zu bleiben. Die häufigsten und auffälligsten Symptome einer Infektion mit Graufäule sind faulende Beeren, die mit einem grauen Pilzrasen überzogen sind. Eine fachkundig durchgeführte Laubarbeit, insbesondere das Entfernen der Blätter in der Traubenzone vor dem Traubenschluss, ist eine wichtige vorbeugende Bekämpfungsmassnahme. Dies erhöht den Lichteinfall, die Temperatur und die Luftzirkulation in der Traubenzone, so dass die Beeren schneller abtrocknen.

Graufaeule an Reben (Botrytis cinerea)Abb. 1. Graufäule (Botrytis cinerea): Die Fäulnis beginnt oft in der Nähe des Zentrums der Weintrauben.

Abb. 2. Graue, watteartige Myzelknäuel an den Beeren sind charaktersistisch für einen Befall durch die Graufäule (B. cinerea)

Schadbild

Graufäule kann an allen krautigen (nicht holzigen) Geweben der Weinrebe auftreten. Befallene Knospen und junge Triebe werden braun und vertrocknen. In der Vorblütezeit, besonders nach längeren Regenperioden, erscheinen unregelmässige, nekrotische Flecken an den jungen Blättern. Auch kann es zu Infektionen der Gescheine (Blütenstand) kommen, die als braune bis schwarze Flecken an den Blütenstielen und den Blütenkäppchen sichtbar werden. Die Gescheine trocknen ein und fallen ab.
Etwa ab Reifebeginn (Véraison), unter feuchten oder nassen Bedingungen, kann die Graufäule die gesamte Weintraube befallen, wobei das infizierte Gewebe die charakteristischen grauen, watteartigen Myzelien und Konidien des Pilzes hervorbringt (Abb. 1 und 2). Ein Teil der sichtbaren Graufäule stammt von Blüteninfektionen, die bis zur Reifezeit verborgen blieben. Der andere Teil stammt von Infektionen der Beeren, die von Wunden ausgehen.
Oft entwickeln sich verfaulte Beeren zuerst in der Nähe des Zentrums der Weintraube (Abb. 1). Solche Infektionsherde können sich schnell von Beere zu Beere ausbreiten und die Infektion erfasst schliesslich die gesamte Traube.
Bei einer Fäulnis der Traubenstiele bekommen die Beeren eine rosa bis lila Färbung und werden braun. Am Ende fallen die Trauben zu Boden (Bodentrauben).
Zusätzlich können auch andere Pilze und Bakterien in die faulenden Beeren eindringen und eine Vielzahl von Farben, Gerüchen und Geschmäckern erzeugen (Sauerfäule).
Graufäule kann sich auch im Kühllager an Tafeltrauben entwickeln. In schweren Fällen breitet sich die Infektion unter dicht gepackten Beeren aus und verursacht grosse Verluste.
Auch können neu veredelte Rebenstecklinge infiziert und durch den Erreger zerstört werden.
Bei bestimmten Sorten und unter günstigen Witterungsbedingungen vor der Ernte (Nebel am Abend und am Morgen, sowie sonnige Nachmittage) können sich in den reifenden Trauben Botrytis-Infektionen entwickeln, die zur sogenannten "Edelfäule" führen. Diese Form der Krankheit ist für einige Weine erwünscht und ist ein wichtiger Bestandteil einiger aussergewöhnlicher und hochpreisiger süsser Weissweine.

Graufaeule (Botrytis cinerea) KonidienAbb. 3. Verzweigte Konidienträger mit Konidien von Botrytis cinerea (mit Farbstoff gefärbt)

Beschreibung des Krankheitserregers

Die Hyphen von B. cinerea sind verzweigt, septiert und farblos, können aber bräunlich bis schwarz erscheinen. Die Konidienträger entwickeln sich direkt aus den Hyphen und sind im Allgemeinen 1-5 mm lang, dunkelbraun, in der Nähe der Spitze unregelmässig verzweigt, mit vergrösserten Zellen am Ende, die Büschel von Konidien an kurzen Stielchen tragen (Abb. 3). Die Konidien sind einzellig (8-14 x 6-9 µm), eiförmig, mit glatter Oberfläche und erscheinen in der Masse gräulich, obwohl sie einzeln gesehen farblos sind (Wilcox et al., 2015).
B. cinerea bildet auch Mikrokonidien (2-3 µm Durchmesser). Diese sind farblos, einzellig und werden in Ketten oder in Trauben gebildet, die von einer schützenden Hülle umschlossen sind.
Das Myzel bildet zwei Arten von Überlebensstrukturen: Chlamydosporen und Sklerotien (Wilcox et al., 2015).

  • Chlamydosporen sind Zellen von äusserst variabler Form und Grösse. Sie können keimen und Hyphen sowie Mikro- oder Makrokonidien bilden.
  • Sklerotien können sowohl eine Mikro- als auch eine Makroform haben. Mikrosklerotien sind einzelne oder kleine Gruppen von Hyphenzellen, die sich verdickt haben und manchmal dunkel verfärbt sind. Sie keimen aus und bilden ein Myzel.
    Makrosklerotien sind braun bis schwarz, unregelmässig geformt, bis zu 5 mm im Durchmesser und fest mit einem Substrat verbunden. Sie bilden entweder Konidien oder, nach sexueller Rekombination, Apothecien. Diese sind becherförmig, bräunlich und mit einem etwa 4-5 mm langen Stiel. Die Ascosporen (7 x 5,5 µm) sind hyalin, einzellig, eiförmig-ellipsoid und glatt.

Lebenszyklus

Die Graufäule (B. cinerea) überwintert in Form von Myzelien (Pilzfäden), als Chlamydosporen oder Sklerotien in der Rinde von einjährigen Trieben oder auf abgestorbenen Pflanzenresten am Boden, beziehungsweise an den Rebstöcken (alte Traubenstiele, mumifizierte Beeren und Blattgewebe).
Im Frühjahr werden auf diesen unterschiedlichen Überwinterungsformen Konidien (oder seltener Ascosporen) gebildet und dienen als Quelle von ersten Infektionen (primäres Inokulum). Die Ausbreitung der Konidien erfolgt in erster Linie durch den Wind. Sobald diese auf einer geeigneten Wirtspflanze gelandet sind und die Bedingungen günstig sind, keimen sie. Die Keimung der Konidien und die anschliessende Infektion der Pflanze erfordern eine auf dem Wirt vorhandene Nährstoffquelle (zum Beispiel Pollen, abgestorbenes Blütengewebe) oder ein verletztes oder alterndes Pflanzengewebe.
Zu jedem Zeitpunkt während des Infektionsprozesses kann B. cinerea in einen Ruhezustand übergehen, in dem der Erreger am Leben bleibt, aber nicht mehr wächst. Die Ursache für diese Ruheperiode ist nur unzureichend bekannt, scheint aber von der Pflanze abhängig und eine Reaktion auf veränderte Umweltbedingungen zu sein. Solche Infektionen werden mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder aktiv, wenn das Gewebe allmählich altert oder wenn es abstirbt.
Zu Beginn der Vegetationsperiode können junge Blätter, Gescheine, Trauben und Triebe infiziert werden, vorausgesetzt die Tagestemperaturen liegen regelmässig über 15 °C und die Feuchtigkeitsbedingungen reichen für die Keimung der Sporen und deren Eindringen in das Wirtsgewebe aus.
Gescheine und junge Trauben sind sehr anfällig. Ausserdem sind die Trauben mit Pollen bestäubt, die als Nahrungsquelle für das Wachstum der Graufäule dienen können. Infektionen der Beeren, die während der Blütezeit bis zur frühen Nachblüte auftreten, bleiben typischerweise in einem Ruhezustand (Wilcox et al., 2015). Sie können aber wieder aktiv werden, wenn die Früchte reifen. Solche Infektionen dienen als Quelle für die sekundäre Ausbreitung der Traubenfäule, wenn die Aktivierung vor der Ernte erfolgt oder sie können die Lagerfäule einleiten, wenn sie bis zur Nachernte ruhig bleiben.
Gesunde Beerenhäute sind relativ resistent gegen Infektionen und Besiedlung durch Graufäule. Eine Schädigung der Beerenhaut durch andere Krankheitserreger (z. B. Mehltau), Insekten (Traubenwickler, Kirschessigfliege), Sonnenbrand oder mechanische Faktoren erhöht jedoch die Wahrscheinlichkeit einer Infektion durch B. cinerea und schliesslich die Fäulnis der gesamten Beere im Alter.
Signifikante Verluste durch Graufäule sind in der Regel das Ergebnis einer umfangreichen sekundären Ausbreitung nach dem Traubenschluss, wobei aktivierte, ruhende Infektionen eine wichtige Rolle bei der Auslösung der Epidemie spielen. Eine solche Ausbreitung ist in dicht gepackten Trauben am stärksten, weil das Myzel des Pilzes von Beere zu Beere wachsen kann. Konidien, die auf den Beeren produziert werden, können ebenfalls für eine weitere Krankheitsausbreitung verantwortlich sein.

Epidemiologie

Die Keimung der Konidien und die anschliessende Infektion erfolgt bei Temperaturen zwischen 0 und 30 °C, wobei 15-25 °C optimal sind. Keimung und Infektion werden durch die Anwesenheit von freiem Wasser (z. B. Regen oder Tau) begünstigt, können aber auch in dessen Abwesenheit stattfinden, wenn die relative Luftfeuchtigkeit über einen längeren Zeitraum über 93 % liegt (Wilcox et al., 2015).
Ruhende Infektionen bleiben normalerweise bis zur Ernte erhalten. Die Faktoren, welche die Aktivierung des ruhenden Pilzes begünstigen, sind nur unzureichend bekannt. Zu den Umweltfaktoren, welche nachweislich die Entwicklung von Fäulnis aus zuvor ruhenden Infektionen fördern, gehören eine anhaltend hohe Bodenfeuchtigkeit während der Fruchtreife, eine hohe Luftfeuchtigkeit während der Vorerntezeit und ein hoher Stickstoffgehalt in den Beeren. Verschiedene Formen von Stress, insbesondere die Verwundung der Beeren an der Stelle, an der sie am Stiel befestigt sind, wie sie bei starkem Wind oder beim Anschwellen der Früchte vor der Ernte auftreten kann, können nachweislich auch ruhende Infektionen aktivieren.

Wirtsspektrum

B. cinerea ist nicht wirtsspezifisch. Er kann unter den richtigen Bedingungen fast alle dikotylen und viele monokotyle Pflanzenarten infizieren. Er kann auch in verschiedenen abgestorbenen Pflanzengeweben überleben, was ihm die Fähigkeit verleiht, in passenden Klimazonen unbegrenzt lange als Saprophyt zu überleben.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

  • Wahl von wenig anfälligen Sorten oder Klonen: Klone einer bestimmten Sorte mit lockeren Trauben haben weniger Probleme mit Graufäule als solche mit engen Trauben.
  • Reihenabstände und Reihenausrichtungen, die eine gute Luftbewegung durch das Kronendach begünstigen, helfen vorbeugend bei der Bekämpfung der Krankheit (Kühne et al., 2006; Viret und Gindro, 2014).
  • An den Standort angepasste Unterlagen zur Kontrolle der Wuchskraft der Reben erleichtern die notwendigen Laubarbeiten.
  • Eine fachkundig durchgeführte Laubarbeit, insbesondere das Entfernen der Blätter in der Traubenzone vor dem Traubenschluss, erhöht den Lichteinfall, die Temperatur und die Luftzirkulation. Dadurch sinkt die Luftfeuchtigkeit und die Beeren trocknen schneller ab. Ausserdem können Pflanzenschutzmittel optimal verteilt werden.
  • Ein eher zurückhaltender Einsatz von Stickstoffdünger begrenzt ein übermässiges Wachstum der Triebe und reduziert die Anfälligkeit gegen Graufäule (Häseli et al., 1999).
  • Regulierung des Traubenwicklers, vor allem die 2. Generation (Sauerwurm)
  • Im biologischen Pflanzenschutz können Produkte angewendet werden, die auf antagonistischen Mikroorganismen basieren: zum Beispiel Botector (Andermatt biocontrol), enthält den Hefepilz Aureobasidium pullulans.
  • Zugelassene Pflanzenschutzmittel gegen Graufäule im Weinbau finden sie für die Schweiz unter Agroscope und BLW Pflanzenschutzmittelverzeichnis; für Deutschland in der online Datenbank des BVL (Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit) und für Österreich im Verzeichnis der zugelassenen Pflanzenschutzmittel.

Literatur

Häseli A, Tamm L, Wyss E, 1999. Krankheits- und Schädlingsregulierung im biologischen Rebbau. FiBL (Hrsg.) Merkblatt, Bestellnummer 1217 (download pdf)

Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, 288 S.

Viret O, Gindro K, 2014. La vigne: Maladies fongiques (Vol. 1). AMTRA, route de Duillier 50, 1260 Nyon: 254p.

Wilcox WF, Gubler WD, Uyemoto JK, 2015. Compendium of Grape Diseases, Disorders and Pests. Second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul Minnesota: 232p.

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