Titelbild Pflanzenkrankheiten - Schädlinge

Pflanzenkrankheiten und Schädlinge

Endophyten (Neotyphodium uncinatum)

(Gras) Endophyten


l'endophyte (fr.), endophyte (engl.)

Wissenschaftliche Namen:
Neotyphodium lolii
(Latch, M.J. Chr. & Samuels) Glenn, C.W. Bacon & Hanlin
N. coenophialum (Morgan-Jones & W. Gams) Glenn, C.W. Bacon & Hanlin
N. uncinatum (W. Gams, Petrini & D. Schmidt) Glenn, C.W. Bacon & Hanlin

Synonyme: Acremonium lolii, A. coenophialum, A. uncinatum
Anamorph: Epichloë spp.

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Sordariomycetes, Hypocreomycetidae, Hypocreales, Clavicipitaceae

Endophyten sind Pilze oder Bakterien, die ihren gesamten Lebenszyklus symptomlos im lebenden Pflanzengewebe verbringen. Die drei unten beschriebenen Grasendophyten sind Pilze aus der Gattung Neotyphodium und können nur bestimmte Grasarten besiedeln.

Lebenszyklus

Grasendophyten leben in einer mutualistischen Symbiose mit Gräsern. Sowohl Pilz als auch Pflanze ziehen einen Nutzen aus dieser Lebensweise. Pflanzen mit Endophyten wachsen besser, sind konkurrenzfähiger, bilden mehr Wurzelmasse, was sie widerstandsfähiger gegen Trockenheit macht. Sie sind resistenter gegen Insekten sowie Krankheiten.
Endophyten sind äusserlich nicht sichtbar, bilden aber im Pflanzengewebe ein dichtes Pilzgeflecht (Abb. 1). Die Pilzhyphen wachsen interzellulär im Meristem und besiedeln von hier aus die Blätter und die Samen. Grasendophyten wachsen nie in den Wurzeln und den Antheren. Die Neotyphodium Arten pflanzen sich ungeschlechtlich fort und bilden keine Sporen. Die Übertragung von Pflanze zu Pflanze geschieht über die Samen.
Die nahe verwandten Epichloë Arten (siehe E. typhina) haben im Gegensatz zu Neotyphodium sp. einen sexuellen Lebenszyklus. Diese Endophyten leben zuerst ebenfalls symptomlos in der Pflanze, um dann kurz vor dem Ährenschieben auf der obersten Blattscheide ein auffälliges Myzelstroma mit Konidien und Perithecien zu bilden. Als Folge dieser Stromabildung wird meistens das Ährenschieben unterdrückt (Erstickungsschimmel).

Endophyt in Wiesenschwingel (Neotyphodium uncinatum)
Endophyt in Wiesenschwingel (Neotyphodium uncinatum)Abb. 1. Myzel des Endophyten Neotyphodium uncinatum in Wiesenschwingel (Festuca pratensis); das Myzel wächst interzellulär.

Nachweis

In der Epidermisschicht der Innenseite der Blattscheiden und im Samen ist das Myzel des Endophyten mit Hilfe eines Mikroskops sichtbar (Abb. 1). Neotyphodium Arten können auch mit einem Immunoblot Test Kit (agrinostics.com) (Abb. 2) oder mit PCR nachgewiesen werden.

Nachweis von Endophyten Abb. 2. Nachweis von Neotyphodium uncinatum in Wiesenschwingel mit einem Immunoblot Test Kit von Agrinostics

Wirkung auf andere Organismen

Grasendophyten produzieren Toxine (biologisch aktive Alkaloide). Einige dieser Stoffe sind für Insekten schädlich oder zumindest abschreckend, was im Futterbau und Rasenanbau eher als positiv zu werten ist. Andere Giftstoffe sind für Schafe, Rinder und vor allem Pferde sehr giftig.

Es werden vier Gruppen von Alkaloiden unterschieden (Schardl et al. 2004):

  • Pyrrolizidinalkaloide: Loline (Loline, Norloline, N-acetyloline, N-formylloline und andere) wirken hauptsächlich abschreckend gegen Insekten, können aber auch bei Säugetieren toxische Effekte auslösen.
  • Pyrrolopyrazin: Peramin schützt die Pflanze ebenfalls vor Insektenfrass, wirkt abschreckend.
  • Mutterkornalkaloide: Ergovalin, Ergonovine und Ergine. Diese Ergopeptide sind toxisch für Insekten und Säugetiere und werden vor allem von N. coenophialum in Rohrschwingel (F. arundinacea) produziert.
  • Indolditerpene: Lolitrem B und Paxilline; Diese Stoffe wirken sowohl gegen Insekten als auch gegen Säugetiere. Lolitrem B wird von N. lolii in englischem Raigras (Lolium perenne) gebildet

Wirtspflanzen

Je nach Pflanzenart kommen verschiedene Endophyten vor: Im Rohrschwingel (Festuca arundinaceae) wächst N. coenophialum, im Englischen Raigras (Lolium perenne) N. lolii und im Wiesenschwingel (Festuca pratensis) kann N. uncinatum vorkommen.

Rohrschwingel (Festuca arundinacea)
In den 40-Jahren wurde im mittleren Westen und Südosten der USA die Rohrschwingelsorte Kentucky 31 sehr häufig angebaut, so dass diese das dominierende Weidegras in dieser Region wurde. Schon bald litten die Weidetiere, vor allem Rinder, unter Durchblutungsstörungen, was zum Verlust von Schwanz, Ohren und Füssen führte. Die Krankheit wurde „fescue toxicosis" genannt. Die Symptome erinnerten an diejenigen von Mutterkorn-Vergiftungen, verursacht durch Pilze der Gattung Claviceps. Allerdings wurde auf den betreffenden Flächen kein Pilz aus dieser Gattung gefunden. Erst später konnte man die Ursache dieses Problems erklären. Bacon et al. wiesen 1977 nach, dass Kentucky 31 mit dem Endophyten N. coenophialum befallen war. Der Endophyt produziert das Toxin Ergovalin, das die oben beschriebenen Symptome bei den Weidetieren verursachen kann.

Englisches Raigras (Lolium perenne)
Mit N. lolii infiziertes Englisches Raigras enthält Lolitrem B. Dieses Toxin verursacht „ryegrass staggers" bei Schafen und ist vor allem in Neuseeland eine gefürchtete Krankheit (Fletcher et al. 1981). Die Schafe verlieren das Gleichgewicht; beim Gehen auf der Weide schwanken sie wie benommen hin und her.
Der Endophyt produziert aber auch Peramin, ein Alkaloid, welches Insekten davon abhält das Raigras zu fressen (Rowan et al. 1994). Es erwies sich als besonders wirksam gegen den Gras fressenden Käfer Argentine stem weevil (Listronotus bonariensis).
Ausserdem bildet N. lolii auch Loline, die bei verschiedenen Insekten eine toxische Wirkung zeigen. So zum Beispiel bei der Blattlausart Rhopalosiphum padi, welches das Gersten-Gelbverzwergungsvirus überträgt (Siegel et al. 1990).
Endophyten freie Raigräser werden von den Käfern und anderen Insekten gefressen, so dass in Neuseeland nur mit Endophyten infiziertes Raigras angebaut wird. Es gibt heute Stämme von N. lolii, die kein Lolitrem B aber Peramin und/oder Loline produzieren.

Wiesenschwingel (Festuca pratensis)
1988 wurde von Frau Dorothea Schmidt in Wiesenschwingelpflanzen eine neue Endophytenart entdeckte (Schmidt 1994). Die Art wurde von Gams et al. 1990 als Acremonium uncinatum (heute Neotyphodium uncinatum) beschrieben. Dieser Endophyt ist in der Schweiz im Wiesenschwingel weit verbreitet: sowohl in Naturwiesen als auch in Zuchtsorten.
Der Endophyt des Wiesenschwingels (N. uncinatum) produziert kein Ergovalin (Leuchtmann et al. 2000, Dahl Jensen et al. 2007) und Peramin, sondern nur das gegen Insekten wirksame Alkaloid Lolin (N-Formylloline und N-Acetylloline).
In Wiesenschwingelpflanzen wächst neben N. uncinatum häufig auch ein stark verzweigtes Myzel. Schmidt (1994) nennt diesen Endophyten in Anlehnung an Latch et al. (1984) „Phialophora like".

Bedeutung der Endophyten in der Gräserzüchtung

Der Pflanzenzüchter versucht die Vorteile der Endophyten möglichst zu nutzen und züchtet Pflanzen, die Endophyten enthalten. Allerdings dürfen diese keine Toxine bilden oder nur solche, die als Abschreckung gegen Insekten wirken. Dank intensiver Forschung fand man Stämme von Neotyphodium sp. die genau diese Anforderungen besitzen: Sie bilden kein Ergovalin beziehungsweise Lolitrem B sondern Peramin oder Loline.
Im getrockneten Saatgut überlebt der Endophyt weniger lang als der Samen keimfähig bleibt. Über 10 Jahre gelagertes Saatgut (auch bei optimalen Bedingungen) ist deshalb höchstwahrscheinlich frei von lebenden Endophyten. Für den Pflanzenzüchter ist es eine besondere Herausforderung, den Endophyten im Saatgut über die gesamte Lebensdauer einer Sorte am Leben zu erhalten.

Literatur

Bacon C.W., Porter J.K., Robbins J.D., Lutrell E.S. 1977. Epichloë typhina from toxic tall fescue grasses. Appl. Environ. Microbiol. 34: 576-81.

Dahl Jensen A.M., Mikkelsen L., Roulund N. 2007. Variation in genetic markers and Ergovaline Production in Endophyte (Neotyphodium) infected Fescue species collected in Italy, Spain and Denmark. Crop Science 47: 139-147.

Fletcher L.R., Harvey I.C. 1981. An association of Lolium endophyte with ryegrass staggers. N. Zealand Vet. J. 28: 185-86.

Gams W., Petrini O., Schmidt D. 1990. Acremonium uncinatum, a new endophyte in Festuca pratensis. Mycotaxon XXXVII: 67-71.

Latch G.C.M., Christensen M.J., Samuels G.J. 1984. Five endophytes of Lolium and Festuca in New Zealand. Mycotaxon 20: 535-550.

Leuchtmann A., Schmidt D., Bush L.P. 2000. Different levels of protective alkaloids in grasses with stroma-forming and seed transmitted Epichloë/Neotyphodium endophytes. Journal of chemical Ecology Vol. 26, No. 4: 1025-1036.

Rowan D.D., Latch G.C.M. 1994. Utilization of endophyte-infected perennial ryegrasses for increased insect resistance. In: Biotechnology of Endophytic Fungi of Grasses, ed. Bacon C.W., White J.F. Jr., Boca Raton, Fla.: CRC: 169-83.

Schardl C.L., Leuchtmann A. und Spierig M.J. 2004. Symbioses of Grasses with seedborne Fungal Endophytes. Annual Rev. Plant. Biol. 55: 315-40.

Schmidt D. 1994. Du nouveau sur les endophytes de la fétuque des prés. Revue suisse Agric. 26 (1): 57-63.

Siegel M.R., Latch G.C.M., Bush L.P., Fannin F.F., Rowman D.D. et al. 1990. Fungal endophyte-infected grasses: alkaloid accumulation and aphid response. J. Chem. Ecol. 16: 3301-15.