Plasmopara viticola (falscher Mehltau an Reben)

Falscher Mehltau der Rebe

mildiou de la vigne (franz.); downy mildew (engl.)

wissenschaftlicher Name: Plasmopara viticola [Berk. & Curt.] Berl. & De Toni
Synonym: Peronospora viticola de Bary

Taxonomie: Chromista, Peronosporomycetes (früher Oomycota oder Oomycetes), Peronosporales, Peronosporaceae

Der Falsche Mehltau der Rebe wird durch Plasmopara viticola verursacht. In Klimazonen mit einem relativ warmen und feuchten Sommer ist er wohl die gefährlichste Krankheit der Weinrebe. Er befällt alle grünen Teile der Rebe. Erste Symptome eines Befalls sind gelbliche, kreisförmige Flecken an der Blattoberseite von jungen Blättern, die sogenannten "Ölflecken". An der Blattunterseite entsteht bei feuchter Witterung ein dichter, weisser Pilzrasen, bestehend aus Sommersporen (Sporangien). Diese können über die Bildung von Zoosporen neue, gesunde Pflanzenteile infizieren. Besonders gefährdet sind die jungen Beeren. Im Herbst werden in den infizierten Blättern Dauersporen (Oosporen) gebildet, die im Falllaub auf dem Boden überwintern. Im Frühling verursachen die Dauersporen die primäre Infektion der Reben. Bei hochanfälligen Sorten besteht das Risiko einer vollständigen Zerstörung der Ernte, falls es keine effektiven Bekämpfungsprogramme gibt.

Falscher Mehltau der Rebe (Plasmopora viticola)Abb. 1. Falscher Mehltau der Rebe (Plasmopara viticola)

Herkunft des Falschen Mehltaus

Plasmopara viticola wurde erstmals 1834 von Schweinitz an Vitis aestivalis im Südosten der USA beschrieben. Diese Krankheit war (neben der Reblaus) ein Hauptgrund für das Absterben der ersten V. vinifera Pflanzungen, die von Kolonisten im östlichen Nordamerika angelegt wurden (Wilcox et al., 2015). In Europa wurde die Krankheit erstmals im Jahre 1878 in der Region Bordeaux (F) entdeckt. Vermutlich wurde der Schaderreger über infiziertes Pflanzmaterial und/oder befallene Erde eingeschleppt.
Die enorme Vermehrungsfähigkeit des Erregers, die hohe Anfälligkeit aller V. vinifera Sorten und sehr günstige Witterungsbedingungen ermöglichten eine rasche Ausbreitung des Falschen Mehltaus über ganz Europa. Heute ist er in praktisch allen Weinbauregionen, in denen es im späten Frühjahr und im Sommer regelmässig regnet, eine ernsthafte Bedrohung der Reben.

Abb. 2. Der Falsche Mehltau der Rebe (Plasmopara viticola) befällt alle grünen Teile der Rebe.

Schadbild

Der Falsche Mehltau befällt Blätter, Triebspitzen, Blütenstände und junge Beeren (Abb. 1 und 2).
Erste Symptome eines Befalls sind gelbliche, kreisförmige Flecken an der Blattoberseite. Sie können häufig an jungen Blättern beobachtet werden und werden als "Ölfleck" bezeichnet. Die Blattflecken sind oft durch die Blattadern begrenzt, besonders wenn sie spät in der Saison auftreten. An der Blattunterseite entsteht bei feuchter Witterung ein dichter, weisser Pilzrasen, bestehend aus Sporangienträgern und Sporangien (Sporen). Bei älteren Infektionsstellen ist die Sporenbildung auf den Rand der Blattflecken beschränkt. Befallene Blätter zeigen zunehmend grössere, rötlich-braune Nekrosen und fallen frühzeitig ab. Eine schwere Infektion kann zu einer Entlaubung führen, was die Entwicklung der Trauben einschränkt und die Triebe schwächt. Befallene Triebspitzen verdicken sich, rollen sich ein, werden schliesslich braun und sterben ab. Ähnliche Symptome zeigen sich an Blattstielen, Ranken und jungen Blütenständen.
Junge Beeren sind sehr anfällig und färben sich bei Befall gräulich. Unter feuchten Bedingungen können auch sie mit einem flaumigen Filz aus Sporen bedeckt sein. Früh infizierte Gescheine werden braun und verkümmern. Mit zunehmender Reife werden die Beeren weniger anfällig. Die Beerenstiele bleiben jedoch noch einige Zeit anfällig und ältere Beeren können von den Stielen aus infiziert werden. Der Erreger breitet sich dann in den Beeren aus und verursacht das sogenannte Lederbeerensymptom. Die so infizierten Beeren verunmöglichen allerdings eine Sporenbildung, da ihnen die Spaltöffnungen fehlen, durch die die Sporenträger austreten können. Eine Sporenbildung ist allerdings an den Stielen möglich. Infizierte ältere Beeren von weissen Sorten verfärben sich graugrün, während sich die Beeren von blauen Sorten rosarot verfärben.

Abb. 3. Sporangienträger mit Sporangien von Plasmopara viticola dem Erreger des Falschen Mehltaus der Rebe

Beschreibung des Krankheitserregers

Plasmopara viticola, ist ein Pflanzenpathogen aus dem Königreich Chromista, das sich taxonomisch von den echten Pilzen (Mycota) unterscheidet. Merkmale wie zum Beispiel Zoosporen mit zwei unterschiedlich gestalteten Geisseln und glucanhaltige Zellwände unterscheiden die Arten von Chromista von denjenigen der echten Pilze.
P. viticola ist ein biotropher Krankheitserreger, der verschiedene Arten der Gattung Vitis befällt. Er wächst zwischen den Zellen der Pflanzen in Form von verzweigten Hyphen, die kugelförmige Haustorien (Ernährungsorgane des Parasiten) tragen. Nach dem Durchdringen der Wirtszellwand stülpen sich die Haustorien zusammen mit der Zellmembran ins Innere der Wirtszelle.
P. viticola ist heterothallisch, das heisst eine sexuelle Vermehrung findet nur statt, wenn sich zwei entgegengesetzte Paarungstypen in unmittelbarer Nähe im selben Gewebe befinden. Antheridien und Oogonien (männliche und weibliche Geschlechtsorgane) entstehen aus Hyphenspitzen, wobei nach der Meiose der haploide Kern des Antheridiums zu dem des Oogoniums wandert und dann mit diesem verschmilzt. In der Folge entsteht eine diploide Oospore mit einem Durchmesser von 20-120 µm. Oosporen sind robuste Überlebensstrukturen, die gegen ungünstige Temperaturen und Trockenheit resistent sind und mehr als eine Saison im Boden überleben können.
Die Oosporen keimen durch die Bildung von einem oder zwei schlanken Keimschläuchen, die in einem birnenförmigen primären Sporangium (28 x 36 µm) enden. Primäre Sporangien bleiben am Keimschlauch haften und setzen unter feuchten Bedingungen mindestens 3 Stunden nach Beginn der Oosporenkeimung ca. 30-60 Zoosporen frei. Sporen aus der Oosporenpopulation können solange keimen wie die Umweltbedingungen günstig bleiben.
Die ungeschlechtliche Vermehrung, die für den sekundären Zyklus der Krankheit verantwortlich ist, führt zur Bildung von ellipsenförmigen, farblosen Sporangien (14 x 11 µm) (Abb. 3). Diese werden an den Spitzen von verzweigten, 140-250 µm langen Sporangienträgern (Sporangiophoren) gebildet, welche durch die Spaltöffnungen austreten. Die zwingende Notwendigkeit von Spaltöffnungen für die Sporenbildung schränkt die Stellen ein, von denen aus die Sporulation beobachtet werden kann, z. B. nur auf der Blattunterseite und auf jungen Beeren. Abgelöste Sporangien setzen sehr schnell vier bis zehn begeisselte Zoosporen (6-8 x 4-5 µm) frei. Alle Grössenangaben zu den einzelnen Pilzorganen stammen von Wilcox et al. (2015).

Lebenszyklus

In gemässigten Klimazonen überwintert P. viticola in Form von Oosporen in abgefallenen Blättern oder in der obersten Schicht des Bodens. Sobald die Oosporen im Frühjahr ausreichend erwärmt und befeuchtet sind, keimen sie und bilden die primären Sporangien aus denen Zoosporen freigesetzt werden. Diese werden durch Spritzwassertröpfchen oder in windverwehten Aerosolen auf die Weinreben verteilt. Zoosporen, die auf grünes Pflanzengewebe gelangen, schwimmen mittels Geisselantrieb zu Spaltöffnungen (Stomata) an den Blattunterseiten, an den Triebspitzen, Blütenständen und jungen Beeren. Das Vorhandensein eines Wasserfilms ist für diesen Vorgang zwingend nötig. Bei den Spaltöffnungen angelangt, werfen die Zoosporen ihre Geisseln ab und bilden eine Zellwand. Jede dieser Zysten keimt und dringt mit einer Infektionshyphe in die Spaltöffnung ein. Dort vergrössert sich die Infektionshyphe zu einem sogenannten Vesikel. Aus diesem wachsen Hyphen in das umgebende Pflanzengewebe, bilden zahlreiche Verzweigungen und Haustorien (Ernährungsorgane des Parasiten) in die Pflanzenzellen. Die Ausbreitung des Myzels wird durch die Blattadern begrenzt. Später werden sekundäre Vesikel gebildet, aus denen sich die Hyphen entwickeln, die aus den Spaltöffnungen herausragen und sich zu den verzweigten Sporangienträgern differenzieren. An deren Spitzen bilden sich Sporangien, die sich nach der Reifung von den Trägern ablösen. Die Sporenbildung von Beginn bis zur Freisetzung der Sporangien, erfolgt bei einer optimalen Temperatur von 18-22 °C innerhalb von nur 4 Stunden. Windströmungen verbreiten die Sporangien auf neues Wirtsgewebe, wo sie keimen, indem sie Zoosporen freisetzen und eine neue Runde von Sekundärinfektionen einleiten.

Epidemiologie

Wirtsspektrum

Die europäische Rebe (V. vinifera) ist sehr anfällig. Nordamerikanische Reben, V. aestivalis und V. labrusca, sind mässig anfällig, während V. cordifulio, V. rupestris und V. rotundifolia relativ resistent sind. Kreuzungen zwischen der europäischer Rebe und den amerikanischen Reben, sogenannte interspezifische Vitis-Hybriden, zeigen eine grosse Bandbreite der Anfälligkeit für Falschen Mehltau. Blätter können mässig bis stark anfällig sein, während die Früchte sehr resistent sind oder Blätter können mässig resistent sein, während Trauben und Triebspitzen sehr anfällig sind.

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

Literatur

Häseli A, Tamm L, Wyss E, 1999. Krankheits- und Schädlingsregulierung im biologischen Rebbau. FiBL (Hrsg.) Merkblatt, Bestellnummer 1217 (download pdf)

Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, 288 S.

Viret O, Gindro K, 2014. La vigne: Maladies fongiques (Vol. 1). AMTRA, route de Duillier 50, 1260 Nyon: 254p.

Wilcox WF, Gubler WD, Uyemoto JK, 2015. Compendium of Grape Diseases, Disorders and Pests. Second edition. The American Phytopathological Society, St. Paul Minnesota: 232p.