Venturia pirina (Birnenschorf)

Birnenschorf

tavelure du poirier (franz.); pear scab (engl.)

wissenschaftliche Namen der Hauptfruchtform (Teleomorph): Venturia pirina Aderh. und der Nebenfruchtform (Anamorph); Fusicladium pyrorum (Lib.) Fuckel

Taxonomie: Fungi, Ascomycota, Dothideomycetes, Pleosporomycetidae, Venturiales, Venturiaceae

Der Birnenschorf (Venturia pirina) befällt junge Blätter und Früchte, selten auch die Triebe. Der Pilz überwintert in abgefallenen Blättern auf dem Boden. Im Frühling werden Ascosporen ausgeschleudert, welche Primärinfektionen verursachen. Bereits nach wenigen Tagen wird eine grosse Zahl von Konidien gebildet, die mit Wind und Regen auf benachbarte junge Blätter oder Früchte verfrachtet werden und dort erneut Infektionen auslösen können.
Birnensorten sind unterschiedlich anfällig für Schorf. Bei Neupflanzungen sollten deshalb tolerante oder resistente Sorten berücksichtigt werden. Eine Beseitigung oder die Förderung der Verrottung des Falllaubs vermindert die Anzahl Ascosporen, die im folgenden Frühjahr gebildet werden.

Birnenschorf (Venturia pirina)Abb. 1. Birnenschorf (Venturia pirina)

Krankheitsbild

An den Blättern verursacht der Birnenschorf samtartige, oliv-grüne, später braune, rundliche (Durchmesser 5-10 mm) Flecken mit einer ausgiebigen Konidienbildung. An Blattadern und Blattstielen sind die Flecken länglich.
Schorfflecken an den Früchten sind dunkelbraun bis schwarz. Bei starkem Befall ist das Gewebe rissig und verkorkt. Infizierte Früchte sind häufig unförmig. Spät befallene Früchte zeigen runde, dunkle, samtige Flecken mit wenigen Konidien.
Junge, neu gebildete Triebe werden ebenfalls befallen. Die Befallssymptome sind braune bis schwarze Flecken, die sich später zu krebsartigen Geschwüren entwickeln. Hier kann der Pilz auch überwintern und im Frühjahr Konidien bilden.

Krankheitserreger

Venturia pirina ist bipolar heterothallisch, das heisst es existieren zwei Paarungstypen (+ und -). Nur unterschiedliche Paarungstypen können miteinander kopulieren, was zur Bildung der Hauptfruchtform (Pseudothecien) mit den Asci und Ascosporen in überwinternden Blättern und Früchten führt.
Die Pseudothecien haben im Gegensatz zu V. inaequalis an der Öffnung keine Borsten (Sutton et al. 2014).
Die Asci (8-12 x 40-70 µm) sind länglich und enthalten je acht Ascosporen. Die Wand der Asci ist zweischichtig (bitunicat). Die Ascosporen (4-8 x 12-20 µm) sind zweizellig. Die beiden Zellen sind ungleich gross (die Trennwand befindet sich im unteren Drittel und die Ascosporen sind dort eingeengt).
Die Konidien (6-10 x 17-30 µm) sind ein-, selten zweizellig und birnenförmig. Die Konidienträger sind bis zu 90 µm lang und 4-9 µm dick, mit deutlichen Narben, wo einzelne Konidien nacheinander abgeschnürt wurden.

Lebenszyklus

Der Erreger des Birnenschorfs überwintert in abgefallenen, infizierten Birnenblättern. Der Pilz kann aber auch als Myzel in Trieben überwintern. Im Frühjahr werden an diesen Infektionsstellen Konidien gebildet, die Primärinfektionen an Blättern und Früchten auslösen können.
Die Überwinterung in abgestorbenen Blättern ist aber von weit grösserer Bedeutung. Während der Wintermonate wachsen in den Blättern auf dem Boden die Pseudothecien mit den Asci und den Ascosporen.
Im Frühjahr werden bei günstigen Bedingungen – Regen oder starker Tau - ab Vegetationsbeginn die Ascosporen aus den Asci geschleudert und mit der Luftströmung oder durch Regen auf junge Blätter oder Früchte übertragen. Die ersten Ascosporen sind etwa beim Stadium „Knospenschwellen“ der Birne reif und zur Zeit der Blüte ist die Anzahl ausgeschleuderter Ascosporen am grössten. Während der folgenden 6 – 8 Wochen können weitere Sporen entlassen werden. In einer unbehandelten Obstanlage werden pro Quadratmeter 1´000 bis mehr als 700´000´Ascosporen freigesetzt (Sutton et al. 2014).
Bei ausreichend langer Blattnässedauer keimen die Ascosporen und bilden Appressorien. Eine Penetrationshyphe dringt durch die Kutikula (Wachsschicht) der Blätter und Laufhyphen wachsen zwischen Epidermis und Kutikula (parasitische Lebensphase). In regelmässigen Abständen werden Hyphengeflechte (Stromata) gebildet aus denen sich Konidienträger entwickeln, welche die Kutikula durchbrechen und auf der Blattoberfläche Konidien bilden. Der Erreger des Birnenschorfs dringt nicht in die Epidermiszellen oder in andere Zellen des Wirtes ein. Die Ernährungsweise ist noch weitgehend unbekannt.
Neu gebildete Konidien infizieren benachbarte junge Blätter und Früchte (Sekundärinfektionen). Während der Vegetationsperiode können mehrere Infektionszyklen vorkommen und eine Epidemie auslösen. Die neu gebildeten Konidien werden mit Wind und Regen verbreitet.
Durch die Schorfinfektionen wird die Kutikula zerstört. Dies führt zu Wasserverlust und das Blatt fällt vorzeitig ab. Nach dem Blattfall beginnt erneut die saprophytische Phase des Schorfpilzes und das Pilzmyzel dringt ins Innere des Blattes.

Epidemiologie

Für das Ausschleudern der Ascosporen aus den Asci ist Regen oder starker Tau nötig. Eine Infektion geschieht innerhalb eines Temperaturbereichs von 4 bis 28 °C (Optimum 20 °C). Zusätzlich ist je nach Temperatur eine mehr oder weniger lang anhaltende Blattnässe nötig. Ascosporen und Konidien brauchen bei einer Temperatur von 15-25 °C eine minimale Blattnässedauer von 9-11 Stunden. Bei kühleren Temperaturen muss sie für eine erfolgreiche Infektion noch länger dauern.
Die ersten Symptome erscheinen 2-3 Wochen nach der Infektion, je nach Temperatur und Alter der Blätter oder Früchte dauert die Inkubationszeit aber länger.
Junge Blätter und Früchte sind anfälliger als alte. Letztere werden aber trotzdem befallen, falls die Nässeperiode länger dauert.

Wirtsspektrum

Venturia pirina befällt nur die Birne (Pyrus communis).

Vorbeugende Massnahmen und Bekämpfung

Literatur

Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL), 2005. Merkblatt Pflanzenschutz im Biokernobstanbau (download)

Kühne S, Burth U, Marx P, 2006. Biologischer Pflanzenschutz im Freiland. Eugen Ulmer KG, 288 S.

Sutton TB, Aldwinckle HS, Agnello AM and Walgenbach JF, 2014. Compendium of Apple and Pear Diseases and Pests. Second edition, St. Paul, Minn. The American Phytopathological Society, 218 p.